Schon wieder der Gysi

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Der Gysi – wieso schon wieder ? – Wie meinen Sie das jetzt ? Wieso ich schon wieder schreibe, oder: wieso ich schon wieder über ihn schreibe ?
Also, erste Frage, erste Antwort: weil ich neulich noch über ihn geschrieben habe.
Und zweitens, und das halte ich schon für eine Nachricht – „ich schon“ will heißen: sonst nur die wenigsten, jedenfalls nicht die ARD-Tagesschau, nicht ZDF-heute, nicht die WAZ-Gruppe. Naja, kann ja noch kommen. Man weiß ja auch gar nicht, wie man mit solch einer Nachricht umgehen soll. Der Gysi ist per se böse, Juden haben wir nix gegen, Israel irgendwie komisch – wie sagen wir es nur den Leuten ?
Ach ja zweitens, die Nachricht: Gregor Gysi hat eine Rede gehalten. Okay, an und für sich noch keine Nachricht. Und zwar zu Israel. Jetzt wird es schon interessanter. Und was sagt er ? – Immerhin, sonst könnte ich es Ihnen ja auch nicht erzählen, hat es spiegel-online gemeldet. Da steht:

Solidarität mit Israel

16 Seiten lang ist Gysis Rede, die nun schriftlich vorliegt – und sie markiert für die Linke einen kompletten Perspektivenwechsel auf Israel. Bislang war der Blick vieler Linker auf den Staat Israel äußerst simpel, geprägt von einseitigen Bekenntnissen zum “Befreiungskampf des palästinensischen Volkes”. Gysi hingegen mahnt die Linke zur “Solidarität mit Israel”, er bekennt sich sogar dazu, dass diese ein Teil der “deutschen Staatsräson” ist.

Ja, darf der das? – Es ist ja nicht nur sein gleichberechtigter Kollege als Bundestagsfraktionsvorsitzender, der Israel für einen „Aggressionsstaat“ hält. Das ist unangefochten linker Mainstream – und jetzt ficht der an, der Gysi. Ja, es gab im WASG-Bundesvorstand zwei Leute, die israelfeindliche Resolutionen nicht mitgetragen haben. Zwei von ... keine Ahnung. Ja, wir haben auch jemanden in der DIG (LINK), der gleichzeitig Mitglied der Linkspartei ist. Einen – im ganzen westlichen Ruhrgebiet. Ja, es gibt eine handvoll Linksradikaler, so genannte, nein: sich selbst so nennende „Antideutsche Kommunisten“, nun ja ...
Aber im Großen und Ganzen galt (seit 1967) und gilt (mal abwarten): Links sein heißt gegen Israel sein. Und dann so was ! Ich habe den Redetext gesucht – gegoogelt. Und wo habe ich ihn wohl gefunden ? – Auf der Webseite der linken Bundestagsfraktion. Nicht, dass der Oskar das mitkriegt. Da steht – als Redeschluss:

Frieden zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten erfordert sicher und neben dem bisher Gesagten vor allem:
1.Es muss ein in jeder Hinsicht lebensfähiger Staat Palästina neben dem Staat Israel geschaffen werden. Beide Staaten müssen in sicheren und klar vereinbarten Grenzen existieren. Das geht nicht ohne die Auflösung der meisten Siedlungen von Israelis.
2.Das Problem der palästinensischen Flüchtlinge muss durch Israel anerkannt und mit Palästina gelöst werden.
3.Israel darf nicht weiter versuchen, kulturell Europa im Nahen Osten zu sein, sondern muss eine kulturelle Macht d e s Nahen Ostens werden.
4.Politische, wirtschaftliche, kulturelle, wissenschaftliche und damit vor allem zivilgesellschaftliche Beziehungen müssen zwischen Israel und Palästina sowie den anderen Ländern des Nahen Ostens schrittweise aufgebaut werden, damit die Akzeptanz für Israel im Nahen Osten wächst, das Existenzrecht Israels nicht länger politisch angezweifelt und in Perspektive aus Feindschaft Freundschaft wird.
In diesem Sinne herzliche Glückwünsche an Israel zum 60. Jahrestag seiner Gründung.

Mein lieber Schwan ! Das ist ja ein Ding !
Nicht, dass ich mir diese vier Punkte * zu eigen mache. Aber es ist klar, dass man so miteinander reden kann. Und daran denkt auch Gysi:
Gerade in parlamentarischen Aktivitäten sollten wir nur Forderungen formulieren, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie, wenn wir in einer Bundesregierung wären, auch tatsächlich umsetzten. Da spielt eine zentrale Rolle, was ich zur Staatsräson sagte. Da gibt es Grenzen, die auch für uns gelten würden. Insbesondere trifft das auf die außenpolitische Handlungsfähigkeit einer jeden denkbaren Bundesregierung zu. Solange sie die deutsche Vergangenheit als verpflichtend ansieht, wird sie im Nahostkonflikt nicht als neutral wahrgenommen werden.
Zwei Prognosen wage ich: (1) das gibt richtig Ärger in der Linkspartei und
(2) über kurz oder lang können dies die Medien nicht ignorieren.

Werner Jurga, 17.04.2008

 

* Die Punkte 1 und 4 sind unter vernünftigen Menschen unstreitig. Punkt 3 ist eine inner-israelische Diskussion. Dazu habe ich zwar eine Meinung, die ich aber im Gegensatz zu Gysi nicht zu äußern gedenke. Er ist nämlich konfessionslos, ich nicht. Punkt 2 wirft die Frage auf, ob in diesem Fall nicht auch meine beiden wesentlich jüngeren (Halb-) Brüder und meine beiden noch jüngeren Kinder als Flüchtlinge anerkannt werden müssten. Jedenfalls fordert auch Gysi kein Rückkehrrecht.

 

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