Münchner Passionstage II

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Fortsetzung des Textes “Münchner Passionstage Iâ€

Ãœber das Hotel von Weltrang hatte ich mich, wie Sie wissen, genug geärgert; aber deshalb hatte ich ja nicht das Martyrium der langen Reise auf mich genommen. Also, was soll´s! Das Wetter war herrlich, eine Sonne wie damals in Jerusalem. Also raus ins Getümmel, rein in die 

Weltstadt mit Herz

Rezession, Depression, Absturz – wie würde wohl die bayrische Metropole auf den Zusammenbruch der Konsumentennachfrage reagieren? Zumal in der Karwoche, in der wir der Passionszeit Jesu Gedenken? Ob es im Zentrum des katholischsten aller katholischen deutschen Länder jetzt, wo die Fastenzeit auf ihren Höhepunkt zuläuft, überhaupt etwas zu essen gibt?
Mein Forschungsdrang führte mich als erstes zum Viktualienmarkt. Den kannte ich nämlich schon aus dem Fernsehen. Hier soll es ja Allerhand zu essen geben. Zum Direktverzehr auf der Hand oder auf dem Teller, aber auch viele frische Lebensmittel für den Einkaufskorb. Aber auch jetzt, mitten in der Wirtschaftskrise und der Karwoche?
Um Sie nicht länger auf die Folter zu spannen: Ja, auch jetzt! Frische Gemüse, deftige Haxen, und überall bis zum Abwinken: Bier, Bier, Bier …, das ja in Bayern als Grundnahrungsmittel gilt. Also, von Problemen der Versorgung der Bevölkerung wie der Besucher mit Lebensmitteln kann beim besten Willen keine Rede sein. Nicht in München! Bei Gott nicht.

Gewiss, auf dem Viktualienmarkt ist es nicht ganz billig; aber Qualität hat halt seinen Preis. Und Krise- i wo. Man kann zum Beispiel auch am Viktualienmarkt recht günstig einkaufen. Am, nicht auf dem Viktualienmarkt. Aber direkt auf der anderen Straßenseite, ich hatte den Laden durch Zufall entdeckt. Direkt vor dem Laden war nämlich ein Parkplatz frei, was ich umständehalber – also direkt vor dem Viktualienmarkt – nur als ein Geschenk Gottes zu interpretieren wusste.
Und dieser Laden lief verdammt gut; richtig gebrummt hat er. Er war nicht nur rappelvoll; nein, im Ernst und kein Scherz: die Leute standen draußen bestimmt 50 Meter lang Schlange. So eine lange Warteschlange hatte ich das letzte Mal vor mehr als zwanzig Jahren gesehen. In Ostberlin, da gab es Bundeswehrgulasch in Dosen. Alles, was die aggressiven, imperialistischen Militaristen in der Gulaschkanone gelassen hatten, wurde sogleich konserviert und den armen Brüdern und Schwestern im Zuge des innerdeutschen Handels zukommen gelassen. Da hatten die auch mal etwas Gescheites zu essen!
Aber hier? Wofür stehen die Leute sich in der Münchener City die Beine in den Bauch? Was mag es sein, des Münchners großes Begehr? Ich sah mich um und hatte in dem Getümmel so meine liebe Last dahinter zu kommen. So groß war das Schild nicht. Keine leuchtende Reklame und nix, einfach nur schwarze Druckbuchstaben auf braunem Grund:

„Restbrot“

Das hatte ich ja noch nie gehört!„Restbrot“ – was konnte das bloß sein. Vielleicht eine Münchner Spezialität, jedenfalls sehr begehrt. Und das kennt man ja mit den Bayern: bei der Namensgebung ihrer kulinarischen Besonderheiten sind sie etwas grob. „Restbrot“ – irgendwie cool, hört sich ein bisschen so an wie Brotreste.
Inzwischen habe ich mir sagen lassen, „Restbrot“ werde auch bei uns angeboten. Aber nur so als kleiner Sondertisch in Supermärkten und Bäckereien, eigene Läden für diese Attraktion jedoch gäbe es hier (noch) nicht. Mal abwarten, wenn ein Angebot nur hip genug ist, dann setzen sich auch Einzelhändler aus anderen Regionen in Duisburg durch. Restbrot aus München – das könnte vielleicht zum Trend werden. Wäre da nicht diese blöde Wirtschaftskrise – bei uns, nicht in München.
Wie gesagt: da ging richtig die Post ab. Ich fühlte mich, wenn schon nicht wie Gott in Frankreich – Sie erinnern sich an die Vier-Sterne-Absteige  â€“ so aber doch wie Langner in China. Ich wollte einfach Land und Leute kennen lernen. In der Fremde. Und ich bin auch nicht so einer, der sich im Ausland ausschließlich die „eigene“ Musik anhört und sich ansonsten bei McDonalds versorgt. Ich will auch die regionalen Besonderheiten von Kultur und Küche erforschen. 

Hofbräuhaus

Selbstverständlich hatte ich mir die ganzen Kirchen nicht nur von außen angesehen, sondern auch von innen. Eine hatte ich sogar betreten. Nein nicht die Frauenkirche, sondern die … andere. Es fand sogar gerade eine heilige Messe statt. Starke Nummer, nicht ein Wort wurde gesprochen; der Priester hat alles Mitteilenswerte gesungen.
Jetzt aber ganz schnell nichts wie weg hier, ab ins Hofbräuhaus! Die Geburtsstätte der Münchner Weischwürstl liegt zwar im Café am Marienplatz; aber irgendwie schien mir das Hofbräuhaus doch das Urwüchsigere zu sein. Also: mir!
„Mir san mir“, so stand es gleich auf den Bierdeckeln. Klasse! Da habe ich mir natürlich ein Original-Hofbräuhaus-Bier bestellt. Nein, kein Maß, „nur“ ein Halbes. Meine Frage, ob auch eine geringere Menge des edlen Getränks geordert werden könne, wurde zunächst gar nicht verstanden, dann verneint.

Getreu meines bzw. Langners Motto „Land und Leute kennen lernen“ bestellte ich mir auch als Speise das Original: zwei original Münchner Weischwürstl mit süßem Senf und salziger Brezel. Für drei Euro fünfzig. Der Klarheit halber: 3,50 € musste ich dafür bezahlen! Es gab kein Geld dafür, dieses Original zu verspeisen.
Jedenfalls habe ich gut gesessen, draußen an der frischen Luft, aber trotzdem drinnen. Die Terrasse des Hofbräuhauses liegt im Innenhof. Dann spielte die Blaskapelle auf, zwar drinnen, war aber draußen, jedenfalls im Innenhof gut wahrzunehmen. Womit ich auch dieses Stück kultureller Landeskunde abgearbeitet hatte. Also nichts wie raus!
Draußen, also richtig draußen, vor dem Hofbräuhaus, war wirklich enorm was los. Ein Kamerateam von Sat 1 sammelte Stimmen zum Spiel der Bayern in Barcelona. Hier bekam man wenigstens ein wenig das Gefühl, mitten in der Karwoche zu sein. Und man konnte der Trauerbekundung einigermaßen folgen. Die Reporterin fragte auf deutsch, die Münchner antworteten auf bayrisch. Ansonsten hatte ich eher das Gefühl, wir hätten schon Pfingsten. Begeisterte Menschen jauchzten in allen Zungen. Vorzugsweise auf französisch, italienisch, spanisch oder japanisch. Nur hin und wieder war auch Englisch zu vernehmen.
Ja, schon interessant. Aber ich wollte jetzt einfach mal meine Ruhe haben und etwas essen. Also überquerte ich die Straße. Gott ist groß! Direkt gegenüber vom Hofbräuhaus ist das Hard Rock Café. David Coverdale sang auf den großen Flachbildschirmen, ich bestellte mir ein kleines Steak und einen ordentlichen Drink.

Ich dachte mir, wenn schon Passionszeit, dann für alle! – Aber nicht so! Ich habe mich dann dem Mainstream angepasst und es mir auch noch ein bisschen schön gemacht – in München. 

Werner Jurga, Karsamstag 2009

 

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