Münchner Passionstage I

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Es hätte alles so schön werden können. Aber wenn das schon so losgeht! 

Bereits bei der Ankunft im Hotel wird mir schlagartig klar: die Karwoche hat begonnen. Es ist Passionszeit. Ich buchte extra ein Hotel von Weltrang. Eine international renommierte Hotelkette. Allein der Name verspricht ein klein wenig Komfort, auf dass sich die geschundene Seele und der geschundene Leib etwas erholen können von den Zumutungen des Alltags. Und dann das!
Ich bin weiß Gott nicht verwöhnt. Mir muss kein Sklave die Tür aufhalten; so was lässt sich heutzutage mit einer Lichtschranke technisch lösen. Wenn es denn unbedingt sein muss, kann ich meine Karre auch selbst in die Tiefgarage des Hotelkomplexes fahren. Aber dass ich meine Reisetasche selbst in mein Zimmer schleppen soll, ist ja wohl echt die Höhe!
Kurze Rücksprache mit dem Manager. Ach so, ich verstehe: nicht bei vier Sternen, erst in Häusern ab fünf Sternen. Roger, alles klar, okay, kein Thema. 

Ein Stern zu wenig

Sicher, an sich sollte ich so etwas wissen. Aber wann kommt man in diesen Zeiten schon dazu, sich mit derlei Kleinkram zu befassen?! – Aber okay, ich weiß ja jetzt Bescheid. Alles unter fünf Sternen unbedingt meiden! Wenn Sie nicht in irgend so einer Absteige landen wollen wie ich.

Das geht schon los mit der Auswahl der Putzfrauen. Gut, die eine, die ging, war zwar eine Südländerin, hatte aber Manieren. Eines Morgens, als ich noch einmal aufs Zimmer ging, weil ich groß musste, war sie da zugange. Damit konnte sie nun wirklich nicht rechnen; denn normalerweise hätte ich um diese Zeit ja auf einer der Tagungen im Hause sein sollen. Aber trotzdem, sofort: „Sorry, Pardon“, usw. Sie könne auch später noch einmal wiederkommen, und es täte ihr wirklich leid. Tadellos! Geht doch – eigentlich.
Aber eine andere Kollegin; ich kann Ihnen sagen! Da wackele ich nach meinem Mittagsnickerchen über den Hotelflur auf die Dachterrasse, um erst einmal mit gepflegtem Tabakrauch ein wenig Nikotin aufnehmen zu können. Da ist die Putze da am Qualmen! Ich stelle mich dezent in die Ecke, zumal ich dort nicht der brennenden Sonne ausgesetzt war. Da setzt mich diese „Dame“ unter Erklärungs-
druck. Ja mein Gott, meine MS-Birne weicht halt in der prallen Sonne auf!
Da sagt dieses Ata-Girl doch tatsächlich zu mir – Achtung! – wörtlich: „Du kannst doch da nicht die ganze Zeit stehen. Ich bringe Dir mal einen Stuhl.“ Echt. Wörtlich! Ja, sagen Sie mal, wo sind wir denn?! Ist es schon so weit gekommen, dass ich mich von einer – mir selbstverständlich völlig unbekannten – Putzfrau duzen lassen muss?! Ich war völlig sprachlos. Ich musste mich erst einmal setzen. Immerhin war ja jetzt wenigstens ein Stuhl da.

Kleider machen Leute

Ich habe mir dann dieses unakzeptable Fehlverhalten damit erklärt, dass mein Fashion Styling sich freilich vom Dress Code der anderen Hotelgäste weder unwesentlich noch unbeabsichtigt abgesetzt hat. Ich trug meine Freizeithose, die von meiner Frau gern, wenn auch in unverkennbar denunziatorischer Absicht, als „Asi-Hose“ bezeichnet wird. „Asi“ – schon dieses Wort; ich hasse so was! „Einkommensschwache und bildungsferne Schichten“ heißt das. Aber da kann ich reden und reden! Nützt nicht, nützt gar nichts – gegen so eine Abgrenzungsneurose.
Außerdem lief  ich – nicht zuletzt mit Rücksicht auf die gepflegten Teppiche – auch im Flur! – barfuss, was sich wunderbar flauschig anfühlt. Mein strahlend weißes T-Shirt war zugegebenermaßen etwas zerknittert, was ja kein Wunder ist. Ich hatte ja gerade genickert. Und bin auch wirklich seit zwei, drei Tagen nicht dazu gekommen, mich zu rasieren.

Langer Rede kurzer Sinn: offenbar ist es der Reinigungskraft nicht gelungen, mich richtig zu typisieren. Die wusste einfach nicht, wen sie vor sich hat. Ihr war nur klar: der – also ich – ist kein Tagungsteilnehmer, was ja auch stimmte. Denn die liefen  den ganzen Tag mit schnieken Schuhen über die flauschigen Teppiche. Und hatten immer einen Anzug an, selbstredend auch Schlips und Kragen. Immer, also auch noch am Abend, als der erhellende Vortrag über neue innovative Marketingkonzepte in der Pharmaindustrie schon längst gelaufen war und wir uns das unwürdige Spiel der Münchner Bayern in Barcelona auf den großen Flachbildschirmen in der Hotelbar angesehen hatten.

Wellness and Beauty

Die Fußballübertragung bereitete mir wesentlich mehr Freude als den anderen Herren in der Bar. Keine Ahnung, warum. Waren doch vier schöne Tore!

Na ja, vielleicht war die Tagung zu anstrengend. Vielleicht waren sie auch einfach nur sauer, weil ihre Gattinnen bzw. Lebensgefährtinnen keine Lust hatten, sich das Spiel anzusehen.
Ja, die Partnerinnen durften mit ins Vier-Sterne-Hotel. Nein, natürlich nicht mit auf die Tagung; die hatten immer Freizeit. Ich nehme an, so als Leckerchen, weil sie dem Ernährer immer so hübsch die Hemden bügeln. Tagein, tagaus. Da war es mal schön, zur Abwechslung den Tag im Wellness-Bereich der namhaften Hotelkette oder auch beim Coiffeur, sorry: Hair-Stylisten zu verbringen. Mal so eine Anerkennung muss sein, ob sie nun der Gatte bezahlt hat oder die Firma …
Ich glaube eher die Firma, wie ich ohnehin das Gefühl nicht los geworden bin, dass ich der einzige Gast im Haus war, der seine Rechnung selbst bezahlt hat.  

Aber, ich schwöre es Ihnen: das war nicht der Grund dafür, dass ich in diese Vier-Sterne-Hütte abgestiegen bin. Glauben Sie mir doch bitte! Meinen Sie etwa, ich würde meine kostbare Zeit freiwillig mit diesen Pillen-Klinkenputzern unter einem Dach totschlagen. Ich wollte mir einfach nur mal diese Weltstadt ansehen. Die mit Herz.
München – ja, das war auch so ein Ding! Erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal. 

Werner Jurga, Karfreitag 2009                                                wird fortgesetzt

 

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