Kurt ist sauer

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Vor gut einer Woche hatte ich Ihnen die Geschichte mit dem Kurt erzählt.
Der Kniff an der Sache, also sozusagen das Salz in der Suppe der Geschichte, war, dass Sie am Anfang der Geschichte noch gar nicht wissen konnten, welcher Kurt eigentlich gemeint war. Und das Größte: nicht einmal am Ende war dies so richtig klar.

Denn es gibt nämlich zwei Kurts. Aber das hatte ich Ihnen ja Samstag vor acht Tagen schon erzählt. Die Geschichte erzählte von Tugrul Kurt und von seinem Onkel, dem Ensar Kurt.
Also: zwei Individuen, zwei Personen, zwei Menschen. Logisch: darf man nicht über einen Kamm scheren. Das habe ich aber getan. Und dafür habe ich mich inzwischen entschuldigt. Bei dem Onkel, also dem Ensar. Nun fällt es zwar bekanntlich leichter, um Verzeihung zu bitten als um Erlaubnis. Aber in diesem Fall …
Dennoch kam ich nicht drum herum. Ich hatte nämlich behauptet, beide Kurts seien Mitglied der IGMG, also von Milli Görüs. Da hatte ich aber Herrn Ensar Kurt, also dem Onkel von Tugrul Kurt, Unrecht mit getan. Er verlangte, dass ich diese Sache richtig stelle. Und nicht nur das: auch im Ursprungstext sollte ich die Diffamierung  (O-Ton Ensar Kurt) löschen. Das habe ich freilich unverzüglich erledigt (die Korrespondenz zwischen Ensar Kurt und mir finden Sie hier).


Kurt ist sauer

Ensar Kurt ist nämlich Mitglied der UETD und keineswegs der IGMG. Das wusste ich nicht. Zwar nicht bewusst, aber völlig leichtfertig hatte ich ihm eine Milli-Görüs-Mitgliedschaft angedichtet. Ich hatte ganz naiv angenommen, da beide, also sowohl der Onkel als auch der Neffe, am gleichen Tag aus der SPD ausgetreten sind, nachdem (!) sich beide auf der gleichen Wählerliste für die Kommunalwahl in Recklinghausen haben aufstellen lassen, dass die beiden auch im gleichen islamistischen Verein aktiv seien.
Dass ich Ensar Kurt in die falsche islamistische Schublade gesteckt hatte, ist gewiss bedauerlich und ärgerlich. Dass er selbst dies als Diffamierung auffasst, erschließt sich mir jedoch nicht so recht; denn Ensar Kurt kandidiert ja auf Platz 3 der Wählerliste, die von seinem Milli-Görüs-Neffen Tugrul Kurt angeführt wird. Der ist nun aber wirklich ein Milli-Görüs-Mann. Nun ja, ein junger Mann, aber bei Milli-Görüs (IMGM).

Die UETD (Union der Europäisch-Türkischen Demokraten) ist die Vereinigung, die den Auftritt des türkischen Regierungschefs Erdogan in der Köln-Arena im Februar 2008 organisiert hat. Vielleicht erinnern Sie sich: Erdogan hatte den vermeintlichen Assimilierungsdruck auf die in Deutschland lebenden Türken beklagt und unter dem Jubel von 15000 jubelnden Anhängern erklärt, Assimilation sei Völkermord. Die UETD ist auf Initiative seiner Partei, der AKP, gegründet worden und gilt als ihr verlängerter Arm in Deutschland.
Die AKP wird in deutschen Medien für gewöhnlich als gemäßigt islamistisch bezeichnet, wollen wir es mit ihrer deutschen Abteilung, der UETD also auch so halten. Ein erster Blick auf die UETD –Homepage, und wir finden ganz oben, als erstes dies:


Die Aggression des israelischen Staates

Wir verurteilen die Aggression des israelischen Staates gegen die zivile Bevölkerung im Gazastreifen.
Einmal ganz abgesehen davon, dass der Gaza-Krieg jetzt bereits gut ein halbes Jahr zurückliegt – fällt Ihnen etwas auf? Was wird verurteilt? Die Aggression von wem?
Die Aggression des israelischen Staates - nicht etwa die Aggression Israels oder die israelische Aggression. Es ist schon komisch: niemand verurteilt die Aggression des chinesischen Staates gegen die Uiguren, oder die Aggression des russischen Staates gegen Georgien bzw. die Aggression des georgischen Staates gegen Russland.
Sollten Sie der Auffassung sein, diese eigenartige Formulierung sei nur dem Umstand geschuldet, dass ihre Verfasser nicht Deutsch als Muttersprache haben. Wir hätten es hier eher mit einer Zufälligkeit zu tun, dann klicken Sie einfach mal hier:
Ferner bedauern wir die vertretene Position von der Bundeskanzlerin in Bezug auf diese Aggression des israelischen Staates und möchten uns hiermit ausdrücklich von diesen Äußerungen distanzieren.
Sie sehen, das mit der Aggression des israelischen Staates zieht sich stringent durch. Sehen Sie von dem Satzdreh nach und sowie von der Distanzierung von Frau Merkel, zu der sich die UETD noch nie bekannt hat, einfach mal ab! Derartige Kleinigkeiten passieren auch deutschen Muttersprachlern mit Hochschulabschluss ständig. Aber wer von denen kritisiert schon die Ausländer- bzw. Integrationspolitik des italienischen Staates. Integrationspolitik des deutschen Staates zu kritisieren, ist einer der Vereinszwecke der UETD. Ohne dabei auf eine Formulierung wie der deutsche Staat zurückgreifen zu müssen, wird diese Aufgabe auch tüchtig erledigt. Nur eine einzige Angelegenheit ist für die in Europa verstreuten türkischen Demokraten noch wichtiger. Na klar: die Aggression des israelischen Staates.
Wie gesagt: noch immer das erste Statement auf der UETD –Homepage.

Eine Bemerkung über einen etwaigen Anlass für diese Aggression? – Ich bitte Sie … Kassam-Raketen? – Fehlanzeige … Die Vernichtung Israels in der Charta der Hamas? – Jetzt reicht es aber! Die UETD ist kein Wahrheitsministerium, sie vertritt die Interessen der Türken in Deutschland und in Europa. Und was kann es für einen türkischen Stahlarbeiter Wichtigeres geben als die Verurteilung der Aggression des israelischen Staates gegen die zivile Bevölkerung im Gazastreifen?


Gleiches gleich,
Ungleiches ungleich behandeln!

So viel zur UETD, der Union der Europäisch-Türkischen Demokraten, Erdogans Vorfeldorganisation in Deutschland. Sie ist gemäßigt islamistisch, Ensar Kurt gehört ihr an, und er hat Recht: das ist schon etwas Anderes als die IGMG. Milli Görüs hat sich nämlich inzwischen einen Namen gemacht, und der klingt keineswegs gemäßigt. Ob nun die Differenz zwischen Ensar und Tugrul Kurt substanziell begründet oder rein taktischer Natur ist, muss uns nicht weiter interessieren.
Wenn Sie dennoch einmal lesen möchten, was Tugrul Kurt, also Ensars Neffe, mir so schreibt (und was ich ihm antworte), klicken Sie einfach hier. Ob es am Alter oder an der Linie der jeweiligen islamistischen Truppe liegt, der Ton ist jedenfalls schon eine Nummer anders.
Auch deshalb sollten UETD (Erdogans Leute) und IGMG (Milli Görüs) anders behandelt werden. Tugrul Kurt hat mich gefragt, ob ich ihn umtaufen oder wegjagen wolle. Ach Gott, ich will dem jungen Mann als Menschen gar nichts. Seine antidemokratische und antisemitische Organisation möchte ich ausgegrenzt und bekämpft wissen. Mit IGMG-Leuten gibt es nichts zu besprechen. Mit der UETD muss selbstredend gesprochen werden. Dann aber auch über alles: über die Dinge, die in der Satzung stehen, und über die Dinge, die nicht in der Satzung stehen.
Ein interreligiöser und interkultureller Dialog kann sich nicht darauf beschränken festzustellen, dass die monotheistischen Religionen auf Abraham zurückgehen, und dass wir eigentlich alle Frieden wollen. Und Freude und Eierkuchen.

Wir sind Duisburger. Und Recklinghausen ist auch nicht überall! Aber überall, auch in der Stadt, in der sich das Wunder von Marxloh zugetragen hat, scheint es ähnliche Ungereimtheiten zu geben. Auf deutscher oder meinetwegen: ethno-deutscher Seite ist recht klar, wer für die tatsächliche Gleichberechtigung unabhängig von ihrer Herkunft und Religion eintritt und wer nicht. Für uns deutsche Eingeborene ist das Treiben innerhalb der türkischen Community mitunter recht undurchschaubar.
Die Gegner einer Integrationspolitik sind bei den Deutschen leicht erkennbar: die Rechtspopulisten gehen ja, jetzt bspw. vor der Kommunalwahl, mit ihrer Ausländerfeindlichkeit auf Stimmenfang. Okay, Sie plakatieren auch nicht Türken raus!, sondern so etwas wie Gegen eigene Regeln, gegen Parallelgesellschaften – und doch weiß jede Dumpfbacke sofort, wo der Hase lang läuft.
Nun geben Leute wie Andreas Scholz zu bedenken, mein Eintreten gegen eigene Regeln, gegen Parallelgesellschaften stünde in der Nähe rechtspopulistischer Argumentation.
Alles klar soweit?! Hier ließe sich nun trefflich linksintellektuell (statt rechtspopulistisch) weiter argumentieren. Vielleicht ein anderes Mal, genug für heute, es wird öde. Wir merken uns einfach:
Gleiche Regeln für alle! Wer Parallelgesellschaften will, kann kein Gesprächspartner sein, sondern wird politisch bekämpft. Bei der UETD kommt es auf den Einzelfall und auf die jeweiligen Personen an. Bei der IGMG liegt der Fall in jeder Hinsicht anders. Und noch mal ein ganz anderes Kaliber ist der VIKZ, der Verein Islamischer Kulturzentren.

Hier wird unscheinbarer gearbeitet als bei Milli Görüs, der ein oder andere Funktionär in Schlips und Kragen mag sogar recht gefällig wirken. Aber das ist nichts als eine Äußerlichkeit. Steuerstrafsachen gibt es beim VIKZ wie bei der IGMG. Okay, so etwas kommt vor. Aber fairerweise muss eine Sache auch einmal gesagt werden: im Zusammenhang mit dem internationalen, islamistischen Terror ist Milli Görüs meines Wissens noch nie in Erscheinung getreten.

Werner Jurga, 04.08.2009

 

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