Kleine Fehler

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Der Internationale Holocaust-Gedenktag ist wahrlich kein idealer Anlass, Demokraten zu kritisieren. Was aber, wenn ein Demokrat anlässlich eines Gedenktages spricht, und dabei – warum auch immer – Unsägliches von sich gibt?
Um es gleich vorweg zu nehmen: gestern Abend in der Salvatorkirche ereignete sich nichts dergleichen. Okay, ein kleiner Fehler; doch kleine Fehler macht ja wohl jeder ...

Am 10.11. 1988 hielt der damalige Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) zum Gedenken an die berüchtigte „Reichskristallnacht“ am 09.11.1938 vor dem Bundestag eine Rede. 50 Jahre nach dem „Auftakt“ zum Holocaust sagte er z.B.:
Und was die Juden anging: Hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt ..., die ihnen nicht zukam? Mussten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden?
Fragen über Fragen – um dann zu der Schlussfolgerung zu gelangen:
Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Jahre gibt.
Selbstverständlich wurde Jenningers Rede öffentlich diskutiert. Denn der Gedenktag verlangt besondere Rücksichtnahme; sie gilt jedoch nicht den Politikern, die zu seinem Anlass sprechen. Der „Fall Jenninger“ wurde zu einem internationalen Skandal; Jenninger war gezwungen, von seinem Amt zurückzutreten.

Kleine Fehler macht doch wohl jeder ...

Gestern Abend fand in der Salvatorkirche eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Internationalen Holocaust Gedenktages statt. Der wird jedes Jahr am 27. Januar begangen; denn am 27.01.1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz von der Roten Armee befreit. Der Programmablauf wurde um einen Punkt ergänzt: im Namen der Stadt Duisburg richtete Bürgermeisterin Doris Janicki einige Worte an die Teilnehmer.
Nun ist Frau Janicki für ihre peinlichen Auftritte in der Öffentlichkeit bekannt. Und damit ihr bei einer derart ernsten Veranstaltung nun wirklich nichts schief geht, hielt sie sich äußerst streng an ihr Redemanuskript. Gut so! Gegen das, was sie gesagt hat, ist ebenso wenig einzuwenden wie gegen die Form, in der sie es vorgetragen hat. Einen kleinen Fehler gibt es allerdings trotzdem zu beklagen: das Manuskript war offenkundig für den 27.01.2007 verfasst worden. Und so trug die Bürgermeisterin zweimal vor, das KZ Auschwitz sei „heute vor 62 Jahren“ befreit worden.
Sicher: kleine Fehler macht jeder – aber bei diesem Anlass gleich zweimal? Auch wenn Frau Janicki wahrlich nicht alles weiß: ich bin sicher, dass die Lehrerin weiß, dass „das Ende“ 1945 und nicht etwa 1946 war. Ich bin auch sicher, dass Doris Janicki das Kopfrechnen soweit beherrscht, um selbst errechnen zu können, dass die Befreiung 63 Jahre her ist. Es lag auch nicht an der ihr eigenen Flapsigkeit, die sie zweimal in diesen Fehler getrieben hat. Sie war ja verkrampft. Mir steht es nicht zu zu behaupten, sie habe sich auf „diesen Termin“ nicht vorbereitet. Aber ich behaupte, sie hat sich nicht gründlich genug damit befasst. Wenn Sie so wollen: ein kleiner Fehler. Ich will so nicht: ihr passieren solcherlei Peinlichkeiten eindeutig zu oft.

Und gestern fand sogar ich es schlimm. Häufig genug habe ich mich über ihre geistreichen Wortbeiträge köstlich amüsiert. Gestern erfasste mich ein Gefühl, das ich gar nicht von mir zu kennen glaubte: Fremdscham!
Denn sie ist doch eine von uns.

Werner Jurga, 28.01.2008

  

P.S.: Philipp Jenninger ist Unrecht widerfahren. Die „Allparteienempörung“ fußte darauf, dass niemand seiner Rede genau zugehört, geschweige denn sie richtig gelesen hatte. Ein Missverständnis, wenn Sie so wollen: ein kleiner Fehler.

 

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