Ferdinand von Bismarck

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Mensch, das ist ja schofelig. Richtig geärgert habe ich mich.
Also, das kam so: endlich bekomme ich mal Post von einem Fürsten. Nicht, da staunen Sie aber, wer mir so alles schreibt! Nein, nicht irgendein Fürst, richtig deutscher Hochadel. Halten Sie sich fest: der Ferdinand von Bismarck! Ja, der Richtige, der Urenkel von unserem Eisernen Kanzler, Gründer des Deutschen Reiches, Erfinder der Realpolitik, Macher der Sozialistengesetze ... endlich war die SPD verboten.
Na, und von dem der Urenkel, nicht irgendeiner, nein: der Chef des Hauses Bismarck, eben der Fürst Ferdinand, der schreibt mir einen Brief (siehe unten), datiert mit 4. Juni, habe ich aber erst gestern erhalten:

Sehr geehrter Herr Dr. Jurga,
ich schreibe Ihnen aus ernster Sorge um Deutschland ...

Ja, der Ferdinand und ich, schon im ersten Satz macht er deutlich: wir haben Gemeinsamkeiten. Gute Rasse erkennt sich halt sofort. Aber jetzt kommt der Punkt, an dem ich echt sauer geworden bin:

Wie haben wir uns alle gefreut ...

Ja, das glaube ich! Eine Frechheit! Letztes Wochenende hat nämlich seine Tochter geehelicht – auf Schloss Friedrichsruh, dem Hauptsitz der Bismarcks, 25 Auto-Kilometer von Hamburg entfernt. Und meinen Sie, der Fürst hätte mich eingeladen? – Nix, Pustekuchen. Haben sich aber alle gefreut, und wie! 400 Blaublüter und andere Spackos waren zugegen, erzählt der Michael Gräter, „täglich in bester Gesellschaft“, und mich speist der Herr Fürst mit so einem Brief ab.
Gott sei Dank habe ich auch so von dem Gräter das Wichtigste erfahren:

Fürstin Elisabeth, die Braut-Mama, verdrückte eine Träne. Ihr Kleid im engen Hochzeitsgewühl war nicht zu übersehen, so bunt wie ein Amazonas-Papagei. Der Familien-Chef trug zur Feier des Tages einen schwarzen Zylinder, Sohn Graf Gottfried von Bismarck, schmückte sein Haupt ebenfalls mit einem Chapeau Claque in dezentem Grau. Ganz streng genommen zählte bei dieser Hochzeit, die 45 Minuten dauerte, auch der berühmte Vorfahre der Bismarck-Sippe zu den "Trauzeugen". Auf der gegenüberliegenden Seite des Altars steht der Sarkophag von Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck.

Fürst von Bismarcks junge Freiheit ...

Und was will der Herr Fürst von mir? – Na gut ey, ich sach ma, zunächst einmal teilt er mir mit:

Deutschland driftet nach links ...

Na gut ey, noch besser, aber das wusste ich ja schon. Wie haben wir uns alle gefreut! Schon recht, aber warum schreibt er mir das ausgerechnet jetzt – als frisch gebackener Schwiegervater?
Ach ja:

... aus ernster Sorge um Deutschland

Ach so, jetzt verstehe ich den Fürst Ferdinand erst so richtig. Der ist gar nicht so links. Komisch, verstehe ich gar nicht. Naja, muss er ja wissen. Rechts ist er jedenfalls auch nicht, Herr von Bismarck ist nämlich gegen „braun und rot“. Er ist ein „Patriot“ – schon aus Erfahrung. Man lese:

Ich bin Jahrgang 1930. Viele Menschen meiner Generation haben
noch lebhafte Erinnerungen an Krieg, Stacheldraht und Diktatur.

Und dann werden drei Seiten lang die Schrecken der DDR-Diktatur beschrieben. Über die Braunen äußert sich der Fürst mit keinem Wort, der Patriot konzentriert sich halt auf das Wichtige; denn:

Deutschland driftet nach links! Dazu dürfen wir nicht länger schweigen.

Und wenn ich schon schweige, dann möge ich doch wenigstens die Wochenzeitung „Junge Freiheit“ abonnieren, „diese frische Brise gegen den stickigen linken Zeitgeist“, schreibt mir Fürst Ferdinand.

Wie bitte, die „Junge Freiheit“ sei rechtsextremistisch?! – Das stimmt doch gar nicht, das hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt. Das stand doch im „Spiegel“:
Die Verfassungschützer sahen jedoch Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die "Junge Freiheit" verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge, denn das Blatt habe rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Texte veröffentlicht, die teilweise von freien Mitarbeitern und Leserbriefschreibern stammten. Die Begründung der Fachgerichte aber, warum diese Texte Ausdruck der Verfassungsfeindlichkeit nicht nur ihrer Autoren, sondern gleichsam auch von "JF"-Verlag und -Redaktion sein sollen, genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, so das Bundesverfassungsgericht.
In der „TAZ“ stand:
Der JF-Experte und SPD-Politiker Stephan Braun sagt: "Die Wochenzeitung ist das Leitorgan der intellektuellen Neuen Rechten, die gezielt versucht, die Grenzen zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu verwischen."

Vielleicht wusste Fürst Ferdinand von Bismarck das einfach nicht. Es ist ja schließlich nicht jeder JF-Experte, nicht wahr, Frau Janicki?!
Vielleicht ist der Bismarck-Urenkel einfach nur gegen rot und braun, also an sich völlig harmlos. Ein Patriot eben. Ferdinand von Bismarck sagt:

Ein Patriot schätzt und liebt sein Land und freut sich, wenn es prosperiert.

Genau wie ich. Eigentlich klasse, der Fürst Ferdinand.

Deshalb bin ich ja so sauer, dass ich nicht zu der Traumhochzeit kommen durfte. Bestimmt nur, weil ich nicht zu seinem Stand gehöre. Ich bin einfach nur neidisch. – Sorry, Ferdi, im Grunde kann ich Dich verstehen; an Deiner Stelle würde ich bestimmt genauso denken:

Ich bin ein Junker und will meinen Vorteil davon haben.

Werner Jurga, 09.06.2008

 

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