Die WAZ hat was gewittert

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Die WAZ hat was gewittert. Nein, nicht getwittert – gewittert. Irgendjemand bei der WAZ muss irgendetwas gewittert haben. Hoffentlich keine Morgenluft.
Der WAZ-Bericht vom Landesparteitag der SPD gab mir zu denken; genauer gesagt: seine Überschrift. Am Samstag stand in der Printausgabe noch groß drüber: „SPD wittert Morgenluft“. Und jetzt heißt es in der Online-Ausgabe: „Kraft will in Dortmund die Genossen aufrütteln“. Warum wohl? Was hat das nur zu bedeuten?
Was bedeutet eigentlich „Morgenluft wittern“? Allgemein hat sich als Bedeutung für diese Metapher durchgesetzt, dass jemand, der Morgenluft wittere, annehme, der Zeitpunkt sei gekommen, seine Wünsche oder Interessen durchzusetzen, sprich: ganz groß rauszukommen.
Morgenluft wittern heißt laut landläufiger Annahme: Erfolge erwarten, seine Chance gekommen sehen, einen Vorteil für sich ahnen … Dabei verhält es sich ursprünglich eigentlich ganz anders.

In William Shakespeares "Hamlet" entfernt sich der Geist von Hamlets Vater mit dem Satz "Mich dünkt, ich wittre Morgenluft!", da der Geist bei Tagesanbruch verschwinden muss. Und wenn der Geist erst einmal verschwunden ist, sieht es für den Papa ganz düster aus.
So weit muss es ja nicht gehen. Für eine Partei reicht es schon, wenn der Geist einfach so verschwindet, und es sich damit auch schon hat. Hätte also die SPD Morgenluft gewittert, wie es in der WAZ-Printausgabe hieß, dann hieße das ja – jedenfalls im Grunde genommen …
Nein, das wollte die WAZ so nicht sagen. Egal, ist ja auch nur Wortklauberei. Die WAZ hatte einfach zunächst landläufig angenommen, dann etwas gewittert, möglicherweise hat danach tatsächlich irgendjemand irgendetwas getwittert, in jedem Fall heißt es jetzt, wo es erst recht nicht mehr drauf ankommt: „Kraft will in Dortmund die Genossen aufrütteln“. 

Und das geht am besten mit einer Rede. Sowieso schon mal, und bei der SPD, zumal bei der in NRW, gute Tradition: die alles entscheidende Parteitagsrede. Jetzt oder nie! Mal lesen, was die WAZ schreibt:
“Es dauert eine ganze Weile, bis der Funke zu den Delegierten überspringt. Hannelore Kraft hat eine halbe Stunde geredet …â€
… also: insgesamt eine ganze Stunde. Aber die ersten dreißig Minuten gab es den Beifall nur „pflichtgemäß“. Aber dann …“Dann müssen erst Westerwelle und die ,Mövenpick-Partei` herhalten, um kämpferische Stimmung in der Westfalenhalle zu entfachen.â€

Ende gut, alles gut. Hannelore Kraft wird nach ihrer Rede überschwänglich gefeiert und später mit 99 % wiedergewählt. Herzlichen Glückwunsch! Und wenn ich Delegierter gewesen wäre (ja, mein Gott, nur mal so als Denkmodell), hätte ich sie natürlich auch gewählt. Mitten im Wahlkampf gegen den eigenen Spitzenkandidaten zu stimmen – da bräuchte man gar nicht in einer Partei zu sein.
Das werden sich die Genossen wahrscheinlich auch gedacht haben. Keine Ahnung, warum die SPD-Landesdelegierten nicht schon in den letzten Jahrzehnten auf diesen Gedanken gekommen sind – aber besser spät als nie.
Selbst diejenigen, sollte es tatsächlich noch welche geben, die da immer noch nicht drauf gekommen sind, - selbst diejenigen ließen sich von Hannelore Kraft begeistern. Eigentlich komisch …
Der Name Rüttgers fällt dagegen in der 60-minütigen Rede nicht ein einziges Mal – selbst dann nicht, als Kraft zum Schluss auf die Sponsoring-Affäre eingeht. Die NRW-CDU, ruft sie, habe das Ministerpräsidentenamt ,zur Ware gemacht, die man mieten kann`.
Klar, das ist ein dicker Hund. Ein gefundenes Fressen im Wahlkampf sowieso. Und dennoch: Der Name Rüttgers fällt dagegen in der 60-minütigen Rede nicht ein einziges Mal …

Soll ich Ihnen einmal sagen warum? Äh: warum nicht? – Ja, das glaube ich. Ich weiß es aber nicht. Ätsch! Und selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen. Ihnen schon gar nicht. Weil ich sowas einfach nicht mache.
Da bräuchte man nämlich gar nicht in einer Partei zu sein. Ich zahle doch keinen Mitgliedsbeitrag, um bei erstbester Gelegenheit irgendwelchen Schwachmatikern, die echt nichts mitkriegen, einen Floh ins Ohr zu setzen, damit die dann überall herumerzählen, wo der Hase hinläuft. Da hätte die Kraft den Rüttgers auch gleich fallen lassen können. Seinen Namen, versteht sich.
 

Werner Jurga, 28.02.2010

 

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