Das Böse ist zu spüren

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Doch, doch, ich bin ganz sicher: das gibt es! Das Böse! Und ich habe auch schon einen Verdacht, wo es herkommt. Das Böse.
Und ich stelle das jetzt ganz schnell hier auf diese Internet-Seite, damit es jeder weiß. Vielleicht bin ich auf diese Art und Weise irgendwie geschützt. Vor dem Bösen. Denn es verfolgt mich. Sollte mir dennoch irgendetwas zustoßen: Sie wissen ja Bescheid. Also: jetzt gleich, nach der Lektüre.
 

fletcher2

Geahnt hatte ich es ja schon vor gut sechs Wochen. Empört, aber unspezifisch stänkerte ich: „was erlaubt sich die UNO?“ Die Weltgemeinschaft – so ein Quatsch! Wo alle böse sind, ist niemand böse. Aber es ist da, ich fühle es deutlich: das Böse.
In dieser Kolumne ging es um ein Ranking zur Lebensqualität, bei dem Deutschland auf Platz 22 landete. Und erinnern Sie sich noch daran, wer auf Platz eins kam?
Na ja, ist ja auch egal. Hier ist es jedenfalls nichts in Sachen Lebensqualität. Wir sind ja alle so kaputt! Oder nicht? Oder gestern zum Beispiel. Fletcher2: „Ich spinne nicht!“ schreibt der Genosse von der Linkspartei, und damit wir es auch glauben: unterstrichen. Und dann bringt er Fakten, Fakten, Fakten:
Vieles, was in diesen Tagen und Wochen geschieht, spricht eine deutliche Sprache. Pandemie, ein urananreichernder Iran bedrohendes Israel, Kriegsspiel zwischen Süd- und Nordkorea, verstärkte Kriegsaktivitäten in Afghanistan, vermehrter Terror in Pakistan und eine immer noch wachsende Finanzkrise sind – verlässliche – Indikatoren zum Beginn des großen Spiels.
So liegen die Dinge, wie der urananreichernde Iran bedrohendes Israel, Fakten eben, oder, wie fletcher2 sagen würde: Szenarien: Wenn eins dieser Szenarien, vermeintlich, außer Kontrolle gerät, dann könnte das große Spiel beginnen.

Und dann? Man darf gar nicht drüber nachdenken, findet auch fletcher2:
Bevor mich meine düsteren Gedanken vollends in den Abgrund ziehen, lese ich diese vier Zeilen – immer bei Bedarf:

„Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten,
vom Feinde bezahlt und dem Volke zum Spott.
Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten,
dann richtet das Volk und es gnade euch Gott.“

Carl Theodor Körner, deutscher Dichter, gefallen 1813 im Freiheitskrieg gegen Napoleon

Nun ist es leider nicht jedem von uns gegeben, sich bei Bedarf so prima bei Laune zu halten. Ein romantischer Dichter, der in der Schlacht für Deutschland gefallen ist, nachdem er den feigen Feinden höhere Gerechtigkeit in Aussicht gestellt hatte. Es ist schon interessant, welche Antidepressiva so bei den Linken gereicht werden.
Nur: von Pillen und Gedichten geht es nicht weg, das Böse. Ein bisschen Kämpfen muss man schon. Wie Wojna zum Beispiel.
 

Wojna

Wojna, der Frontmann der Duisburger Rapper-Band „die Bandbreite“, war nämlich letzten Samstag demonstrieren – gegen das Böse, versteht sich. In diesem Fall: die Strahlen. Jawohl, die Strahlen, die der Mobilfunk so abstrahlt.
Und die Demo war, wie er mitteilt, „ein voller Erfolg“. Und da strahlt er, der Wojna! Sehen Sie sich nur einmal das Foto an!
Duisburgs Rapper-King strahlt über das ganze Gesicht. Jetzt komme ich auch endlich einmal dahinter, wie Wojna auf diesen komischen Bandnamen gekommen ist: die Bandbreite.

Klar, das hat etwas mit Funk zu tun, mit Netzen, mit Frequenzen. Und wie das alles strahlt! Das kann ich mir vorstellen. Ich wurde ja auch bislang schon den Verdacht nicht los, dass Wojna ein paar Strahlen zuviel abbekommen hat; aber dass es so schlimm ist …
Mein Gott, der arme Junge ist ja völlig verstrahlt. Haben Sie sich das Foto angesehen. Der Mensch neben ihm, dem Wojna so liebevoll den Arm umlegt, trägt gleich ein Strahlenschutzanzug.

Nun gut, mögen Sie sagen: der fletcher2, der Wojna, arme kleine Teufelchen, die nicht so ganz zurecht kommen und sich deshalb in eine zeitgemäße Paranoia flüchten. Die Schizophrenen, die vor zwei Jahrhunderten sich noch einbildeten, irgendwie auch Napoleon zu sein, haben heutzutage halt Last mit dem US-Imperialismus (doch ja: den Napoleon gab es tatsächlich) oder mit dem Elektrosmog (den mag es auch geben) oder – für die nicht ganz so Politischen – mit „Gift im Essen“, der Schweinegrippe oder ganz einfach nur die Angst vor dem Versagen.
Machen Sie es sich bitte nicht zu einfach. Das Problem betrifft nicht nur unwichtige linke Spinner, sondern leider auch unsere Eliten. Die da oben, die bürgerlich-konservativen Erfolgreichen, sogar so einen richtigen Intellektuellen wie den FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher.
 

Frank Schirrmacher

Es liegt eben alles nicht allein an den Handys, und deshalb sind Sie, auch wenn Sie nicht wie Wojna direkt unter einem Funkmast wohnen, noch lange nicht aus dem Schneider. Das Handy, der Computer, das Fernsehen und der ganze andere Stress – das frisst einen doch auf. Jedenfalls so einen wie Schirrmacher. Aber das musste jetzt mal raus! Das Buch, das er geschrieben hat, oder die Rezension, die ich gelesen habe:

Leiden Sie unter chronischen Konzentrationsstörungen? Haben Sie Probleme mit Ihrer Mensch-Computer-Schittstelle? Sind Sie Abends regelmäßig so müde und ausgelaugt, dass Sie nur noch Trash-Sendungen im Fernsehen verkraften können? Dann sind Sie bei Frank Schirrmacher und seinem neuen Buch genau richtig.
Es beginnt mit einem Bekenntnis. Schirrmacher sieht sich durch die Informationsfülle des Internets “aufgefressenâ€. Er bekennt sich zu Vergesslichkeit, Unkonzentriertheit und dem Gefühl, ständig eine Information zu versäumen. Aber er fühlt sich damit nicht allein. Den Philosophen Daniel Dennett zitierend, sieht er sich als Teil der “leidenden Mehrheitâ€, die unter der Informationsexplosion in der digitalen Gesellschaft Gefahr läuft, von Computern unterworfen und beherrscht zu werden.

Das Böse ist immer und überall. Informationsexplosion, Schweinegrippe und alles – da ist es doch völlig normal, depressiv zu werden. Zum Kaputtgehen ist das doch Alles!
Für Frank Schirrmacher ist Multitasking Körperverletzung. Körperverletzung ist es eben nicht (mehr), wenn es so richtig was auf die Fresse gibt; Körperverletzung ist die „digitale Droge“. Das Internet macht abhängig. Frank Schirrmacher sucht in "Payback" nach Heilung von der digitalen Droge.
Kann es ein Leben geben ohne Handy und Internet und all diesen Quatsch? Gibt es überhaupt noch einen Ausweg?
 

Wencke Myhre

Norwegen – das ist das Land mit der höchsten Lebensqualität. Da sind die Leute gut drauf; man müsste sich freilich – wie überall – ein bisschen anpassen. Machen in Norwegen aber alle, sogar das H1N1-Virus.
Und schon sieht die Welt ganz anders aus. Klar, so ein richtiger Norweger wird man nicht mehr. So ein richtig wohlgelauntes Stimmungspaket mit dem Herzen am rechten Fleck. Aber wenn wir uns schon einmal aus unserer tiefen Depression so ein bisschen in Richtung Norwegen bewegen könnten!

Wencke Myhre zum Beispiel; das ist eine echte Norwegerin. Also auch ein guter Mensch. Geboren 1947 in Norwegen war sie schon 1964, also mit siebzehn Jahren, das Zugpferd (sorry, steht so bei Wikipedia, kann ich also nichts dafür) einer Spendenaktion, mit deren Erlös ein Kinderkrankenhaus in Gaza errichtet wurde. Und auch heute noch haben die Norweger viel Herz für die Palästinenser, bestimmt wegen Wencke.
Und dann die ganzen Hits von der Myhre! Cowboy als Mann, Beiß nicht gleich in jeden Apfel, Knallrotes Gummiboot – unvergessen! Und raten Sie Mal, welchen Schlager von Wencke Myhre ich am allerbesten finde. - Genau: Er steht im Tor. Echt Super. Kleiner Textauszug: 

Vitamine, Traubenzucker so was braucht er nicht
Anstatt dessen schaut sie ihm ins Gesicht
hält er dann die Bomben und der Gegner der bricht ein
krieg ich rote Rosen vom Verein 

Er steht im Tor, im Tor, im Tor und ich dahinter
mag es regnen, mag es schnein,
er ist nie im Tor allein

Er steht davor, davor, davor und ich dahinter
Frühling, Sommer, Herbst und Winter
bin ich nah bei meinem Schatz,
auf dem Fußballplatz
 

Bombenstimmung! Dabei hat auch Wencke Myhre in ihrem Leben schon eine Menge durchgemacht. Zum Beispiel 1991, als sich ihr zweiter Ehemann, der erfolgreiche deutsche Regisseur Michael Pfleghar, das Leben genommen hatte. War bestimmt nicht einfach für die Frau.
Jetzt werde ich schon wieder so traurig. Schlimm so was. Wie geht es eigentlich dem Torwart?

Werner Jurga, 22.11.2009

 

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