Zeit fürs Kind

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Wie die Zeit vergeht! Jetzt ist das schon eine Woche her, dass mich mitten im Urlaub die Brandmeldung aus Duisburg erreichte. The Mob Rules. Im Kindergarten werden Klamotten ins Klo gesteckt, selbstverständlich aus pädagogischen Motiven, die der Herr Amtsleiter für „diskutabel“ hält. Nein, nicht die pädagogischen Motive: die waren ohnehin löblich; diskutabel sei die Strafmaßnahme an und für sich. Wobei ergänzt werden könnte, dass gegen Strafmaßnahmen an sich auch nichts vorzutragen ist, schon gar nicht bei Vorschulkindern.

Eine Woche ist das schon her, dass ich telefonisch über diesen Bericht in der WAZ Duisburg-Nord informiert worden bin. Ich natürlich gleich am nächsten Tag nach Hause! Denn jetzt war Politikberatung gefragt, weil die Sache doch – wie das so ist – für unnötiges Palaver gesorgt hat. Sofort mein leicht umsetzbarer Tipp: „Keine Telefoninterviews mehr! Nicht mit der Presse! Nicht mit diesem Amtsleiter! Dann lieber mit seinem Chef, bei dem weiß man gleich: eigentlich meint er es nicht so.“
Inzwischen hat die WAZ Duisburg-Nord nachgereicht, dass der Chef nicht lange gefackelt hat. Karl Janssen hat unverzüglich einen Maulkorb verhängt. – Alles roger, kein Thema, echt nicht, nicht wirklich. Eine Hand wäscht die andere; schließlich hat diese Webseite auch Karl Janssen einiges zu verdanken.

Alpha-Tier: Maulkorb für alle!

Allerdings kann unser Münsteraner Top-Mann auch „zwischen den Zeilen lesen“, wie man das so sagt. Aus meinem wohlmeinenden „eigentlich meint er es nicht so“ hat er sogleich die Konsequenz gezogen: er sagt auch nichts. Das Alpha-Tier machte Tabula Rasa; logisch: es geht ja um was! Da hatte er mich schon vor einem Vierteljahr in Münster aufgeklärt: die Zeiten so mit lecker Familie und Heimchen am Herd sind vorbei, weiß Janssen, die Kita ist jetzt angesagt.
Wo soll das nur hinführen? – Ich jedenfalls kann ja dann weiter Urlaub machen, schon „weil ich die Konjunktur ankurbeln möchte.“ Aber das habe ich Ihnen ja vorgestern schon erzählt. Danach habe ich die Glotze anschaltet, ganz locker rumgezappt, und Sie ahnen nicht, was ich da nachmittags um vier in den ZDF-Nachrichten hören musste. Die Leute beschäftigen sich viel zu wenig, viel zu selten mit ihren Kindern. Das ergab eine Studie.  Es musste ja so kommen mit dieser Janssen-Ideologie. Die Mütter fühlen sich gar nicht mehr zuständig und schieben alle Verantwortung auf den Staat ab. Und wenn dann mal eine bodenständige Frau vernünftig durchgreift, macht so eine Mutti gleich richtig Tullus. Rennt sogar zur Zeitung, wie die Leute das halt so machen, findet Dezernentenkollege Dressler. Und noch was hat der gefunden: so was nämlich nicht gut. Macht er ja schließlich auch nicht. Und wenn – aber echt ganz selten nur, dann steht bei ihm die Sache im Mittelpunkt, und nicht etwa die Person, schon gar nicht die eigene.

Die Sache ist in diesem Fall das Kind; aber wen interessiert das schon? – Ach so, ja: die „heute“-Sprecherin. Die hat vielleicht böse geguckt, als sie vorlas, dass die Eltern sich nicht kümmern. Und richtig grimmig oder, wie wir heute sagen, betroffen war ihr Blick, als sie sprach: „Ein Drittel aller Väter verbringen an Werktagen weniger als zwei Stunden mit ihren Kindern.“ – Ach ja, das auch noch. Zwei Stunden mit den Blagen? Ja, was will man denn mit denen so lange machen?
Mal überlegen. Man könnte ja zusammen spielen, Hausaufgaben machen, Einkaufen gehen, einfach mal so reden, Fahrrad fahren und all so was. Ist ja auch nicht schlecht. Geht ja auch schon mal. Aber jeden Tag, wohlbemerkt: Werktag, zwei Stunden lang. Und das ist das absolute Minimum. Du lieber Himmel! Aber Gott sei Dank liegen zwei Drittel der Väter darüber, teilweise deutlich über zwei Stunden jeden Werktag. Bestimmt machen die all so Sachen, die ich gerade aufgeschrieben habe, auch so drei Stunden von montags bis freitags nach der Maloche. Am Wochenende und in den Ferien natürlich mehr davon: zusammen spielen, Hausaufgaben machen, Einkaufen gehen, einfach mal so reden, Fahrrad fahren und so.
Die Frage lautete: wie viel Zeit verbringen Sie (werk-) täglich mit ihrem Kind bzw. Ihren Kindern. Respekt, meine Herren! Sie haben doch nicht etwa geschummelt?! – Ach nee, das traue ich ihnen gar nicht zu. Ich meine, der Papa im Wohnzimmer, der Bönsel im Kinderzimmer: das zählt doch wohl nicht. Jetzt weiß ich nur nicht, ob man mitrechnen darf, wenn man sich abends oder vielleicht auch schon mal am Nachmittag zusammen etwas Schönes im Fernsehen ansieht. Ach, bestimmt! Auf jeden Fall und ganz bestimmt, wenn es was ist, wo das Kind etwas draus lernen kann, also etwas pädagogisch Wertvolles. Irgendsowas mit Strafe und so kommt ja jeden Abend in der Glotze. Ein schöner Krimi reicht ja auch mal. Das kommt schon darauf an, wie weit das Kind ist. So einen richtig guten Film würde ich erst empfehlen, wenn das Kind in der Schule ist. Ich finde z.B., so ein richtig geiler Action-Thriller ist noch nichts für die, solange die noch im Kindergarten sind. Aber da gehen die ja auch noch früh ins Bett. Da kann man ja auch mal allein oder zusammen mit dem Partner gucken. Man kann sich ja nicht ständig um die Blagen kümmern.

Ich habe eine Menge gut zu machen; deshalb nehme ich jetzt meine Tochter mit in den Urlaub. Nee, nicht wieder Center Park – alles Mittelschicht. Jetzt geht es ab auf eine Kreuzfahrt. Da ist abends im Nachtclub immer richtig was los. Zuviel Fernsehen soll ja auch nicht gut sein für so ein Kind.

Werner Jurga, 10.07.2008

 

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