Wir hier in Schilda

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Bei uns hier in Rheinhausen gibt es sehr viele Schilder, sagen jedenfalls CDU und Grüne. Sagten sie schon im Mai 2006: genug Schilder, gesprochen: Schilda. Sie müssen ja bedenken, dass die erste und nicht etwa die zweite Silbe zu betonen ist. Und dann sagen Sie das mal: „Schilder“ – affig! Also: „Schilda“.
Und so können wir denn auch so nennen, wegen der vielen Schilda – und, weil es bei uns im Rathaus mitunter genauso zugeht wie in dem berühmten Rathaus von Schilda.

Ein Beispiel: letzten Mittwoch hat es gekracht, ein Container Crash, hier mit Bild. Und schon im Mai 2006 wollten einige im Rheinhauser Rathaus ein LKW-Vorwarnsystem genau dort installiert wissen. Und was sagten CDU und Grüne? - Na ja, sagte ich ja schon, „genug Schilda“ und auch noch, dass LKW-Fahrer nicht doof seien. Behaupten jedenfalls die Bürgerlich Liberalen, die damit zu erkennen geben, dass sie offenbar gegenteiliger Auffassung sind. Konnten wir uns ja schon denken, was so Bürgerliche, so Liberale vom kleinen Mann so halten. Die Zustimmung der Sozialdemokraten zum Vorwarnsystem kann ich mir nur so erklären, dass es den Genossen um die Humanisierung des Arbeitslebens auch für Trucker ging. So etwas ist wichtig, da gibt es Forschungsprojekte, bei denen ich – allerdings schon vor einiger Zeit – gelernt hatte, dass die Könige der Landstraße „Affen auf vier Rädern“ seien. Sagte der damals zuständige Gewerkschafter; aber der war Mitglied der CDU. Vertrackte Geschichte – und schon kracht es …

bei uns hier in Schilda

Ziemlich vertrackt ist auch diese Geschichte.
Letzten Samstag, also heute vor einer Woche, etwa zu dieser Zeit, während ich diese Zeilen schreibe, soll etwas ganz Entsetzliches passiert sein. Ein Albtraum schien Wirklichkeit geworden zu sein. Polizeihubschrauber kreisten über den Toeppersee.
Am Nachmittag veröffentlichte die Duisburger Polizei diese Pressemitteilung:

Duisburg - 23.08.2008 - 17:46 - Am 23.08.2008, gegen 11.00 Uhr, war ein 13jähriges Mädchen auf dem Heimweg und wurde von einem unbekannten Täter auf der Bergheimer Str. in Duisburg-Rumeln-Kaldenhausen unvermittelt angegriffen, mit einer dunklen Schußwaffe bedroht und durch das Gebüsch an das Seeufer des Töppersees gezerrt. Dort kam es zu sexuellen Handlungen. Anschließend flüchtete der Täter in unbekannte Richtung.

In den Zeitungen wurde am Montag aus „sexuellen Handlungen“ eine Vergewaltigung. Schilda hatte endlich sein Thema, und ich räume ein: auch ich war etwas irritiert. Denn meine Tochter ist elf, die Straftat ereignete sich einfach unsere Straße weiter, auf der anderen Seite des Sees. Am Montag in der Schule teilten ihr die Mitschülerinnen die Sorgen mit, die sie sich machten: „Ach Du Arme, Du wohnst doch da in der Nähe!“ Dass die anderen Mädchen fein raus seien, scheinen jedoch deren Eltern nicht so zu sehen. Am Montag Abend fanden nämlich die Elternabende statt. Was glauben Sie wohl, was da los war?!
Was am Montag überhaupt so los war, berichtet die Rheinische Post

„Jetzt kann man die Kinder nicht mal mehr um diese Zeit auf die Straße lassen“, meinte gestern die Rheinhausenerin Ursula L., die vielen aus der Seele sprach. Angst und Sorgen sprachen auch aus einigen Anrufen, die unsere Redaktion erreichten. Immer wieder wurde jedoch auch die pure Wut gegen den Täter laut: „An die Wand stellen“ gehörte noch zu den harmloseren Vorschlägen, was man denn mit dem Täter anstellen sollte.

Wie Sie wissen, können die Leser von NRZ und WAZ im Internet ihre Meinung frei äußern. In diesem Fall hier.
Wobei – die freie Meinung freilich den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) „entsprechen“ (?) muss, was z.B. bei Kommentar Nr.12 nicht der Fall war:
Dieser Kommentar entsprach nicht den AGB und wurde daher entfernt.
Was wird der Leser – ja, meistens äußern sich zu diesem Thema Männer, verstehen die einfach mehr von – was wird dieser Leser wohl empfohlen haben? Vielleicht: „Leute, lest nicht die WAZ“? – Schätze ich mal, wäre natürlich ein klarer Verstoß gegen die Geschäftsbedingungen.
Andere Leser beteiligen sich mit Analysen zum Täterprofil konstruktiv an der Suche:
Ich gehe stark davon aus, dass der Täter aus dem naheliegenden Rheinberg stammt,
meint der eine. Worauf der nächste erwidert:
Wieso aus Rheinberg? Die Ecke ist doch nur Insidern bekannt.

Was zurück bleibt, ist Ratlosigkeit. Nach dieser Kontroverse ist dann auch die Debatte beendet, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt … seit vier Tagen.
Es ist wieder etwas Ruhe eingekehrt in Schilda – gut so. Schließlich könnte ja aus der Pressearbeit der Polizei der Eindruck gewonnen werden, hier laufe ein Kinderschänder mit Knarre herum, und die Fahndung laufe nicht auf Hochtouren. – Nein, nein, die Situation ist vertrackt. Soweit ich es überblicken kann, leistet die Kripo gute Arbeit. Kein Rauch ohne Feuer!
Man bedenke: Sex mit einer 13jährigen ist ab dem 14. Geburtstag immer eine Straftat. Gut, dass Ruhe eingekehrt ist.

Was so alles von sich gegeben wurde, im Internet, am Telefon, in „traditionellen“ Leserbriefen, können wir – Gott sei Dank – nur erahnen.
NRZ-Redakteur Martin Ziecke kommentiert heute in der NRZ. Und ich kann mich dem nur anschließen. Absolut, Wort für Wort.

Einem Kind Gewalt anzutun, ist so ziemlich das schäbigste Verbrechen, das sich die meisten Menschen vorstellen können. Die Empörung, die sich zu Wochenbeginn breit gemacht hat, nachdem am Toeppersee ein 13-jähriges Mädchen am hellichten Tag sexuell missbraucht worden war, ist verständlich und gerechtfertigt. Unannehmbar sind dagegen Kommentare und Forderungen einiger selbsternannter Hüter des deutschen Gemeinwesens, die pauschaler Vorverurteilung aller ausländischen Bürger das Wort reden oder gar nach Lynchjustiz verlangen. Dass solch ungeheuerliche Aufrufe in dieser Zeitung keinen Niederschlag finden können, dürfen und jemals werden, muss jedem „anständigen Deutschen” einleuchten. Der nämlich sollte das Grundgesetz zumindest auszugsweise kennen. So wie unser Mitgefühl dem Opfer gilt, muss unser Widerspruchsgeist gegenüber solchen Hetzern erwachen.

Wenn ich wiederholen darf:
Erstens hat jeder und jede dieser durchgeknallten Hetze entgegen zu treten!
Zweitens gilt, was auch immer die kriminalpolizeilichen Ermittlungen ergeben werden, unsere Solidarität dem betroffenen Mädchen.

Werner Jurga, 30.09.2008

 

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