Wer traut sich?

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

„Macht des Mittelmaßes“ heißt der heutige Leitartikel der WAZ. „Mutlos“ heißt es gestern im „Spiegel“. Nein, natürlich nicht. Ein Schelm, wenn nicht schlimmer, wer bei Adjektiven wie mittelmäßig und mutlos an Duisburg denkt. Denken Sie bitte an unser aller Kanzlerin! Denn schließlich ist ja auch Frau Merkel gemeint.

Duisburg - die Stadt der Mutigen

Duisburg ist nämlich nicht mittelmäßig, was Sie schon leicht daran erkennen können, dass unsere Stadt in den überregionalen Schlagzeilen gar nicht vorkommt. Es sei denn, Kleinkinder laufen in einer Kita nackt herum. Was erstens auch weder mittelmäßig noch mutlos ist, und zweitens ein ganz anderes, in meinen letzten drei Texten hinreichend gewürdigtes Thema. Genug der Nacktheit! Deutschland weiß jetzt, dass wir Duisburger schon ab frühester Kindheit lernen, dass uns niemand in die Tasche packen kann.
Abgesehen selbstverständlich vom Regierungspräsidenten (RP), wobei: der nimmt uns ja nichts weg (würde der niemals tun!); der passt nur auf, dass wir Bankrotteure nicht weiterhin so prassen. Blöde Sache! – Aber noch einmal: mutlos sind wir nicht, wir Duisburger – weiß doch jeder!

Oder gestern, als der RP am Burgplatz in unser Rathaus schritt, da waren mutige Duisburger schon da und empfingen ihn mit einem großen Transparent. „Jetzt reicht´s“ stand da in großen roten Lettern drauf. Vier Leute von der Linkspartei hielten es, alle schön warm angezogen; denn das Wetter war mies. Und damit der RP auch einmal weiß, wo es langzugehen hat, folgt prompt der konkrete Verbesserungsvorschlag: „Banken verstaatlichen und demokratisch kontrollieren!“ Richtig: mit Ausrufezeichen.
Auch bei fiesem Wetter kann Duisburg schön sein. „Hier bin ich links, hier darf ich sein“, wärmt sich die linke Seele. Warum eigentlich nicht die Banken verstaatlichen? Ich zum Beispiel wäre sehr dafür, schon aus grundsätzlichen Erwägungen. Warum man die dann auch noch „demokratisch kontrollieren“ soll, und was damit gemeint sein soll, erschließt sich mir nicht. Na gut, wenn die Belegschaft der Bayern LB den Namen ihres Obermackers begeistert skandiert, das ist schon irgendwie demokratisch. Erfolg! Der Top-Banker durfte bleiben; blöd nur: jetzt ist die Bank doch verstaatlicht worden. Der Herr darf immer noch bleiben. Fazit: verstaatlicht und demokratisch kontrolliert. Schönes Bayern; fast möchte man den Genossen von der Linkspartei zurufen: „Wenn es Euch hier nicht passt, dann …“ Könnte aber auch ungerecht sein; denn vielleicht meinten sie auch gar nicht den Sozialismus à la Seehofer. Ich weiß es nicht, niemand weiß, was sie meinten; egal: „Hier bin ich links, hier darf ich sein“, auch das ist Heimat!

Adieu kommunale Selbstverwaltung!

Später im Rathaus hat der RP dann unverzüglich losgelegt, verstaatlicht und demokratisch kontrolliert. Mangels Befugnis allerdings nicht die Banken, sondern, und zwar absolut dazu befugt, die Stadt Duisburg. Adieu kommunale Selbstverwaltung! Im Stadtrat folgt Parteienstreit; sicher: gehört zur Demokratie. Soll man einen Haushalt „verabschieden“ (?), bevor oder nachdem man irgendetwas weiß, bevor oder nachdem er vom RP einkassiert wird? Gewiss: kann, soll und muss drüber geredet und gestritten werden.

Es kann, soll und muss immer und immer wieder klipp und klar gesagt werden, und das ist ja unstreitig, dass wir es hier mit einem Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung zu tun haben. Und weil Demokratie für die Bürger vor allem vor Ort, also in den Kommunen erfahrbar ist, ist eine Kastration (hier passt der Begriff) der Städte und Gemeinden, Gift für die Demokratie. Und weil über Kindertagesstätten (Bildungsauftrag!) und Schulen (Projekt Ganztagsschulen) im Stadtrat entschieden wird, beobachten wir nichts Anderes als ein Vergehen an der Zukunft. Die WAZ berichtet in ihrer Gesamtausgabe auf der ersten Seite, dass die Städte die Gelder für den Bau von Mensen nicht abrufen. Zuschüsse! Wie witzig. Dass wir vor der schlimmsten Wirtschaftskrise der letzten Jahrzehnte stehen, die Duisburg bislang allenfalls in kleinsten Ansätzen erreicht hat, sei ebenfalls erwähnt. Jetzt Sparen zu wollen, ist abwegig.
Wir können davon ausgehen, dass alle Duisburger Parteien und OB-Kandidaten all dem im Großen und Ganzen zustimmen. Wir gehen weiter davon aus, dass auch Politiker der Linkspartei in einer Verstaatlichung der Banken keinen ernsthaften Vorschlag sehen, der in Duisburgs dramatischer Situation auch nur in Ansätzen hilfreich sein könnte. Schmunzeln wir also nochmal über die unpolitischen guten Menschen mit ihrem linken Transparent vor dem Rathaus. Aber die Frage muss doch erlaubt sein: sind denn unsere Politiker – die der Linken, aber auch die der Grünen, der CDU und der SPD – erkennbar poltischer? Was ist mit den OB-Kandidaten? Wer ist mutig statt mutlos? Wer hat das Format, den Wählern anstatt Mittelmaß Antworten auf die Frage zu bieten, was jetzt haushaltspolitisch geschehen soll.

Wer traut sich?

In einem halben Jahr wird gewählt. Die Kandidaten haben den Wählern Alternativen anzubieten. Gesucht sind keine Alternativen auf der Suche nach den Schuldigen – nach dem Motto: „die SPD hat ja damals die Schulden gemacht“ oder „unter der CDU sind sie jetzt noch schneller gestiegen“. Auch nicht „Analysen“, es gehe zu viel Geld in den Osten, an den Niederrhein oder Gottweißwohin. Mag ja Alles sein; aber eine Stimme bekommt nur der, der es dann auch ändern kann. Dasselbe gilt für die – in großkoalitionären Zeiten etwas aus der Mode gekommene - Zauberformel „Gemeindefinanzreform“. Liebe Mitglieder der Volksparteien, wisst Ihr noch: immer, wenn die Anderen in Bonn / Berlin dran waren, standet Ihr an den Infoständen mit der „Gemeindefinanzreform“. Jetzt steht eine Handvoll Linker vor dem Rathaus und regt an, die Banken zu verstaatlichen. So what!
OB-Kandidat Dierkes ist ein ernst zu nehmender Kommunalpolitiker, wie selbstverständlich auch Brandt und Sauerland, um mich auf die drei aussichtsreichen Bewerber zu beschränken. Sauerland „möchte nicht die Verantwortung für ein totes Kind übernehmen …, nur weil beim Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) gespart wird.“ Das werden auch Brandt und Dierkes nicht wollen. Nur, es nützt ja nichts: wer auch immer das Rennen machen wird, er wird sparen müssen. Ob er will oder nicht.

Die Bürger haben folglich ein Recht zu erfahren, wo die Kandidaten sparen – zwar nicht wollen, aber – werden. Und wo sie Gebühren und Abgaben erhöhen werden. Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Wahlkampf anzukündigen, gilt einem „ehernen Gesetz“ zufolge als Garantie für eine Niederlage. Spätestens seit gestern ist es in Duisburg anders: der Mutigste wird gewinnen!

Werner Jurga, 02.12.2008

 

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