von Bingen, Gott und Broder

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Der Publizist Henryk M. Broder ist mit dem Hildegard-von-Bingen-Preis ausgezeichnet worden.
Der Preisträger hat dazu einen Text in der FAZ veröffentlicht, dem ich die folgenden beiden Auszüge entnommen habe.

Werner Jurga, 17.09.2008

 

 

Hildegard von Bingen, Gott und ich

Ich selbst wäre nie auf die Idee gekommen, mich mit Hildegard von Bingen zu vergleichen, von der ich bis vor kurzem nur wusste, dass sie sich mit etwas beschäftigt hat, was man heute „alternative Medizin“ nennen würde. Meine angeborene Bescheidenheit verbietet es mir, mich in der Nähe einer Heiligen zu positionieren. Außerdem habe ich es der Schulmedizin zu verdanken, dass ich heute vor Ihnen stehe, nachdem mich der alternative medizinische Hokuspokus beinahe das Leben gekostet hätte. Das Einzige, was mich mit Hildegard von Bingen verbindet, sind Visionen. Wobei ihre von ganz anderer Art waren, als meine es heute sind. Da ich auf Diät bin, muss ich immerzu an Cremeschnitten, Sachertorten, Kaiserschmarrn, Millirahmstrudel, Topfenknödel und Palatschinken denken.

 

Gott ist ein Zyniker

Marx soll mal gesagt haben, er könne die Marxisten nicht ausstehen, weil sie sein Werk trivialisieren. Gibt es einen Gott, könnte er wahre Größe zeigen und etwas Ähnliches über seine Fußtruppen verkünden, auch mal eine Gegendarstellung oder Richtigstellung verschicken, etwa wenn der amerikanische Politiker John Edwards, nachdem er eine außereheliche Affäre zugeben musste, sagt: „Gott und meine Ehefrau haben mir vergeben.“ Dann sollte Gott, notfalls per SMS, erklären: „Was Deine Frau tut, ist ihre Sache, aber lass mich aus dem Spiel!“
Dass sich Gott so etwas bieten lässt, ohne böse zu werden, spricht nicht für ihn, aber für meine Annahme, dass er ein Zyniker ist. Ihm ist eben alles recht, solange sein Name richtig buchstabiert wird. Dabei lässt er durchaus mit sich reden. Man muss es nur versuchen, wie Abraham, als er Sodom und Gomorra retten wollte. Hätte es geklappt, wäre die Bibel um eine schöne Geschichte ärmer. Weil es aber nicht geklappt hat, hat es seitdem niemand mehr unternommen.

Henryk M. Broder, 15.09.2008

 

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