Unschuldig und nicht ganz unnütz

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Endlich auch bei mir auf der Startseite: ein Bild mit einem Opfer des gegenwärtigen Nahost-Krieges.

Unter uns: selbstverständlich habe ich nicht an einem einzigen dieser Fotos das Copyright. Das ist der eine Grund dafür, dass ich mich für einen israelischen Fotographen entschieden habe, und damit für ein israelisches Opfer. Ich halte hier juristische Folgen für weniger wahrscheinlich. Womit wir beim anderen Grund wären: meine Ihnen womöglich nicht ganz unbekannte Einseitigkeit in Bezug auf den Nahost-Konflikt.
Viel überraschender an meiner Bildauswahl dürfte der Umstand sein, dass ich ein Opfer zeige, das nicht einmal ein Kind ist. Okay, es ist immerhin eine Frau; denn mit einem erwachsenen Mann lässt sich nun wirklich keine propagandistische Wirkung erzielen. In der Tat:

Kinder sind wirklich unschuldig

In jedem Fall. Ich nehme an, dass es im Kriegsvölkerrecht nicht nur Passagen gibt, die die Zivilbevölkerung unter besonderen Schutz stellen, sondern Kinder auch noch einmal besonders hervorheben. Ich weiß es nicht; ich hätte jedenfalls nichts dagegen.
Diese etwas umständlichen Sätze stelle ich (sicherheitshalber) meinem Eindruck voran, dass Kinder im Gaza-Streifen deutlich unterproportional betroffen sind. Im Krieg ist es mit der Wahrheit im allgemeinen schon nicht gut bestellt, mit zuverlässigen Zahlen schon gar nicht. In diesen Stunden werden für die Toten im Gaza-Streifen Zahlen um die 600 genannt; nicht eine Schätzung sieht die Anzahl der getöteten Kinder bei über 100. Nochmal (sicherheitshalber): jedes tote Kind ist eins zuviel.

Nicht erst seit heute, aber nie so intensiv wie heute gilt: Kriege werden nicht nur auf dem Schlachtfeld entschieden, auch nicht nur im Konferenzsaal. Entscheidende Bedeutung kommt der „Propagandaschlacht“ zu, den Medien, und insbesondere den Bildern – der Fotographie und dem Videomaterial. Und auf diesem Feld scheint mir die Hamas Israel überlegen zu sein. Auf allen Großdemonstrationen in arabischen Hauptstädten wurden schon am ersten Abend nach Beginn der israelischen Luftangriffe großformatige Bilder, i.d.R. Porträts, von verletzten und getöteten arabischen Kindern in die Höhe gehalten. Selbst wenn auch schon zu diesem Zeitpunkt palästinensische Kinder zu Schaden gekommen sein sollten, sie konnten gar nicht auf den Riesenpostern abgebildet sein.

... und gerade deshalb nicht ganz unnütz

Gestern habe ich einen hochrangigen israelischen Politiker Sagen hören, die Tatsache, dass viele palästinensische Kinder getötet wurden, aber nicht ein israelisches resultiere daraus, dass „wir auf unsere Kinder besser aufpassen“. Du liebe Güte: so ist kein Propagandakrieg zu gewinnen. So etwas sagt man einfach nicht! Auch wenn es selbstverständlich stimmt.
In den grenznahen Gebieten, die inzwischen von Hamas-Raketen getroffen werden können und getroffen werden, sind sämtliche Kindergärten und Schulen geschlossen. Dort leben etwa eine Million Menschen, zumeist Juden, aber auch zigtausende Araber, Beduinen, Gastarbeiter etc. Die meisten Kinder verbringen dort den ganzen Tag im Schutzraum.
Im Gaza-Streifen warnt – da stimmen unterschiedliche Quellen völlig überein – die israelische Armee die Zivilbevölkerung vor einem bevorstehenden Angriff. Telefonisch (Tonband), per SMS, über aus der Luft abgeworfene Flugblätter. Aber die allermeisten gehen dennoch nicht. „Wo sollen wir auch hingehen?“ stöhnt mitleiderweckend ein arabischer Affenpascha in die TV-Kameras, wobei er mit „wir“ freilich nicht nur seine Frauen, sondern auch seine Kinder meint. Das nächste neue und authentische Bildmaterial ist in der Mache. Es wird von den großen Nachrichtenagenturen genauestens überprüft. Tatsächlich: echt. Das Kind ist wirklich tot.

kinder_1
kinder_2

© Konrad Weiß

kinder_3

Nun sind Kinder nicht nur als Bildmaterial nützlich, wie wir spätestens seit der letzten (?), der zweiten Intifada wissen. Die drei Bilder habe ich der Homepage von Konrad Weiß entnommen. Konrad Weiß dürfte vielen von Ihnen noch bekannt sein; er war für Bündnis 90 Abgeordneter der Volkskammer und anschließend Mitglied des Deutschen Bundestages (B´90 / Die Grünen). Ich empfehle Ihnen seinen Text vom 7. Februar 2003: „Kinder als Waffen“
Ich bin auf diesen Text gestoßen, als ich eine Quelle für dieses Golda-Meir-Zitat gesucht habe:

"Frieden wird es in Israel erst geben, wenn die Palästinenser
ihre Kinder mehr lieben als sie uns Juden hassen."

Gestern hat ein ranghoher Hamas-Kerl es angesichts der israelischen Taten für legitim erklärt, gezielt auch jüdische Kinder zu töten – selbstverständlich weltweit, die Aufforderung ging ja schon drei Tage vorher raus.

Werner Jurga, 07.01.2009

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [Dezember 2009] [November 2009] [Oktober 2009] [September 2009] [August 2009] [Juli 2009] [Juni 2009] [Mai 2009] [April 2009] [März 2009] [Februar 2009] [Januar 2009] [2008] [2007] [Kontakt]