Rüttgers sein Club

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Muss eigentlich so ein Arbeiter wissen, was er tut, oder muss er nicht? – Die Frage ist nicht ganz so einfach, wie sie sich anhört. Klar, möchte man meinen, muss er natürlich nicht; denn, wie schon Frederick W. Taylor ausführte:

Arbeiter gehorchen ähnlichen Gesetzen wie Teile einer Maschine

Auf dieser tiefen Einsicht entwickelte Herr Taylor das sog. Scientific Management, also eine, ach was: die Theorie der wissenschaftlichen Betriebsführung oder, wie wir heute sagen, der wissenschaftlichen Geschäftsführung, nämlich den Taylorismus.
Der Taylorismus ist eine Theorie, also mehr als das Fließband, aber eben auch das Fließband. Theoretisch ging Taylor nicht nur davon aus, dass der Arbeiter nicht nur nicht zu wissen braucht, was er tut, sondern dies im Idealfall auch gar nicht darf, so dass er sich dann ganz praktisch nur zu oft am besagten Fließband wiederfand.
Nicht immer, aber immer öfter fand er das aber nicht so gut, der Arbeiter, und um etwas dagegen zu unternehmen, suchte er sich dann – im Laufe der Zeit – Arbeiterführer. Ganz aktuell zum Beispiel den Herrn Rüttgers.
Der ist, auch weil so viele von diesen Arbeitern ihn gewählt haben, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, und Doktor. Nein, kein Arzt, sondern Jurist – und eben Arbeiterführer, also mehr so ein Führer als so ein Arbeiter, will sagen: mehr so ein Theoretiker als so ein Praktiker. Egal, er findet jedenfalls, so ein Arbeiter müsse schon wissen, was er tut. Will also auch sagen: so ein Arbeiter, der nicht weiß, was er tut, ist im Grunde nicht zu gebrauchen.

Theoretisch gesprochen

Hätte man sich jedoch ganz praktisch zum Beispiel einmal so eine Handy-Fabrik angesehen, was bis vor einiger Zeit in NRW noch möglich war und mir – offenbar im Gegensatz zu Herrn Rüttgers - nicht erspart geblieben ist, hätte man ohne weiteres erkennen können, dass hier von der häufig beschworenen Abkehr vom Taylorismus wenig zu spüren ist, äh: war, sondern dass viel mehr jeder von diesen Arbeitern schön in seiner Produktionszelle sitzt, die genauso schön über ein Fließband mit den anderen Einzelzellen verbunden ist. Wissen muss so ein Arbeiter in seiner Zelle da eigentlich nicht besonders viel, weshalb es sich bei diesen Arbeitern auch in aller Regel um Frauen handelt.
Er muss eigentlich nur wissen, unter welchen Umständen – klar: am besten gar nicht – er seine Zelle verlassen darf, und natürlich – und das ist das Allerwichtigste: wann er zu kommen hat, und wann er gehen darf.
Aber weil so ein Arbeitsplatz für so einen Arbeiter immer noch besser ist als überhaupt kein Arbeitsplatz, kämpft so ein Arbeiterführer wie Dr. Rüttgers selbstverständlich auch für so einen.

Nun muss man dazu wissen, dass Dr. Rüttgers nicht irgendein Arbeiterführer ist, sondern ein deutscher Arbeiterführer. Mehr Führer als Arbeiter, und deshalb auch als Theoretiker mitunter auch einmal so richtig praktisch. Zum Beispiel neulich in Duisburg.

Rüttgers sein Club

Buchholz1

v.l.n.r.: Sauerland, Rüttgers, Mosblech, Mahlberg
Scrennshot: YouTube

Und hier spricht er zu den ausgebeuteten oder, wie in diesem Fall bedauerlicherweise, nicht mehr ausgebeuteten Arbeitern, die sich – wie könnte es anders sein – im Duisburger Arbeiterstadtteil Buchholz versammelt haben, um ihrem Führer zu lauschen. In der hier abgebildeten Szene attestiert er gerade den rumänischen Arbeitern:

Sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun.

Und all die kleinen anderen Arbeiterführer aus Rüttgers seinem Club stehen neben dem großen Meister und lauschen andächtig. Links im Bild der Duisburger Oberbürgermeister, dessen Hand an Mund und Kinn uns in aller Deutlichkeit hohe Konzentration und Nachdenklichkeit signalisiert. Auf der anderen Seite neben Rüttgers: Volker Mosblech, Bundestagskandidat für den Duisburger Norden und stellvertretender Vorsitzender der Duisburger CDU. Vor Ehrfurcht erstarrt. Und am Rand neben ihm der Vorsitzende von Rüttgers sein Club in Duisburg: Thomas Mahlberg, Bundestagskandidat für den Süden.
Sein Blick fromm auf den Meister gerichtet, die Hände gefaltet, wie ein Ministrant. Aber nach diesem Hammer-Spruch über die Rumänen

Sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun.

darf auch Herr Mahlberg seine Hände lösen. Und mal kräftig klatschen. Und das hat er dann auch gemacht. Na logisch! Er ist ja auch der CDU-Vorsitzende in dieser Arbeiterstadt. Sein Gegenspieler, also der SPD- Vorsitzende, meint jedoch, Rüttgers´ Darstellung der Rumänen bewege sich am Rande der Volksverhetzung. So kennt man ihn, den Ralf Jäger, macht seinem Namen alle Ehre: ein Jäger eben.

Daraus ergibt sich die Frage: ab wann darf man eigentlich Volksverhetzung Volksverhetzung nennen?

Werner Jurga, 06.09.2009

 

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [Dezember 2009] [November 2009] [Oktober 2009] [September 2009] [August 2009] [Juli 2009] [Juni 2009] [Mai 2009] [April 2009] [März 2009] [Februar 2009] [Januar 2009] [2008] [2007] [Kontakt]