Raus aus Afghanistan

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Niels Annen – wie Andrea Nahles ehemals Bundesvorsitzender der Jusos und gegenwärtig Wortführer der SPD-Linken – war von Anfang an dagegen, in Afghanistan militärisch zu intervenieren.

Vor etwa einem Jahr hat er dem ZDF ein Interview gegeben, über das ich mich sehr geärgert hatte. Sie war ihm wohl nur so rausgerutscht, die Formulierung vom Krieg gegen den „angeblichen internationalen Terrorismus“. Ich hatte ihn jedenfalls unverzüglich per eMail gefragt, was denn am internationalen Terrorismus so „angeblich“ sei. Womit ich nicht gerechnet hatte: noch schneller als ich gefragt hatte, bekam ich eine Antwort von Niels Annen. Sie enthielt einen Link zur ZDF-Sendung, so dass ich den Wortlaut noch mal lesen konnte – in der Tat misslungen, aber auch nicht eindeutig daneben. Damit ich aber genau wisse, was er mit dem „angeblichen internationalen Terrorismus“ meine, erhielt ich ganz persönlich den bereits im Fernsehinterview gegebenen Hinweis auf die durch NATO-Bombardements getöteten unschuldigen Kinder. Ich bedankte mich artig für seine ungewöhnlich schnelle Antwort und erklärte ihm die Sache als für mich erledigt.

Verdrängung

Das war für mich das Wichtigste. Denn erstens konnte ich ihm nichts, und zweitens wollte ich ihm auch gar nichts können. Niels Annen verwies in seiner Antwort auch noch darauf, dass auch irgendein parteirechter „Wehrexperte“ einen Abzug der deutschen Truppen aus Afghanistan für erwägenswert halte, und erzielte damit genau die von ihm beabsichtigte Wirkung – wenn auch anders als von ihm gedacht. Niels kannte und kennt mich ja nicht. Er hielt mich offensichtlich für einen „Seeheimer“, und als ein solcher könne ich mir über diese Problematik ja auch mal Gedanken über die Frage eines Truppenabzugs machen. Mir hat der Umstand, für einen rechten Komisskopp gehalten zu werden, derartig gestunken, dass für mich die Angelegenheit so war wie angekündigt: erledigt.
Ich hatte mich doch zu seinem Anliegen, nämlich die Truppen aus Afghanistan abzuziehen, überhaupt nicht geäußert. Was war ich sauer!

Niels Annen konnte freilich nicht wissen, dass ich mich vor einem Jahr ohnehin strikt geweigert hätte, über seine Forderung auch nur nachzudenken. Man nennt so etwas Verdrängung.
Natürlich wusste ich schon vor einem Jahr, dass der Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht das ist, als was er uns in den Medien verkauft wird: THW mit ein bisschen Geleitschutz. Wir reden über Krieg, und ich wusste auch schon vor einem Jahr, dass der nicht zu gewinnen ist.
Und Sie dürfen mir glauben, genau wie Niels Annen habe ich die Besetzung dieses Landes von Anfang an für Irrsinn gehalten. Aber ich war dafür, die Taliban-Regierung zu verjagen – militärisch, wie sonst. Und ich war und bin für die Bekämpfung des internationalen Terrorismus – mit allen Mitteln, mitunter auch militärischen.

Heute in einem Monat, nämlich am 1. Juli, erhält die Bundeswehr das Oberkommando für den gesamten (alles andere als „friedlichen“) Norden Afghanistans. Ein Gebiet aus Felsen und Wüsten – weit größer als Deutschland. Ein Irrsinn!
Das Verdrängen der Tatsachen muss ein Ende haben. Cicero-Chef Wolfram Weimer, linker Tendenzen unverdächtig, hat bereits vor Monaten fünf Argumente für einen Truppenabzug angeführt. Auf dieser Seite finden Sie Argument Nummer Fünf, das Moralische. Und dies ist der Link für den vollständigen Text

Raus aus Afghanistan

Werner Jurga, 01.06.2008

 

Wolfram Weimer:

Das moralische Argument

Es ist ein wenig aus der Mode gekommen, nach Opfern zu fragen. Nach Menschen, die sterben, die verkrüppelt werden oder seelisch zerstört aus Kriegseinsätzen zurückkehren. Nach Müttern und Kindern, die ihre Liebsten verlieren. Im politischen Diskurs gilt das nur mehr als moralische Gefühlsduselei. Als lächerliche Kategorie. Wir haben uns an einen „realpolitischen“ Blick auf Militäreinsätze gewöhnt, als wären wir alle Planungsstrategen des Pentagon. Wir glauben, es ginge darum, Krieg gegen Sicherheit zu tauschen – als ginge es um einen Fondssparplan der Weltpolitik. Die Nachrichten von Gefechten, Attentaten und Scharmützeln am Hindukusch nehmen wir mit einer Gleichgültigkeit zur Kenntnis als wären wir nicht dabei. Sind wir aber. Wenn eine Demokratie Krieg führt, muss sich jeder fragen, ob er selber bereit wäre, dem Kind eines gefallenen Soldaten zu erklären, dass es sich im Großen und Ganzen doch gelohnt hat. Tausende Tote hat der Krieg in Afghanistan unter den Einheimischen bisher gefordert, und auch die westlichen Alliierten betrauern bereits 770 Tote. Eine abstrakte Kategorie? Ein notwendiger Preis? Wenig? Zu viel!

 

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