Obama, Israel und Irans Bombe

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Am 11.12.2008 kam bei Reuters die Meldung:

Obama bietet Israel Schutz vor Angriff aus dem Iran

an. Ich hatte den Link auf die Startseite dieser Homepage gestellt, und auch ihn per eMail an meinen Freund Jo geschickt, weil mein damaliger Klassenkamerad schon vor langer Zeit nach Israel ausgewandert ist. Auch wenn ich diesen Bericht unkommentiert gelassen hatte (wie übrigens auch auf meiner Startseite), so war doch unschwer zu erkennen, dass ich dies für eine gute Nachricht hielt.

Und was antwortet der?
„Ich versuche so wenig wie möglich Nachrichten mitzubekommen. Danke für den Artikel, der uns (oder richtiger, den Iranern) amerikanische A-Bomben verspricht, sollten wir mit der großen islamischen Bombe angegriffen werden. Du kannst Dir vorstellen, dass ich jetzt ganz beruhigt bin ...“
Immer dieser Zynismus! So geht das doch nicht.
Meinem guten alten Kumpel Jo kann doch nicht entgangen sein, dass das Gleichgewicht des Schreckens, wie die Abschreckungsdoktrin so sympathisch genannt wurde, jahrzehntelang den Frieden in Europa garantiert hatte. Warum sollte diese Erfahrung nicht auch Modell stehen für den Nahen und Mittleren Osten?

Gewiss, wenn man in Israel lebt, fällt es schwerer, sich zu einer solch distanzierten wie nüchternen Sicht der Dinge durchzuringen. Wenn dieser Ahmadinedschad tatsächlich die Atombombe, genauer: den Nuklearsprengkopf, in die Finger bekommen sollte, dann möchte man nicht gern in seiner Reichweite leben.

Keine Parallele zum Kalten Krieg

Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich auf Jo´s Bemerkung schon irgendwie eingehen sollte.
Ich dachte nach und hielt meine ursprünglich gezogene Parallele zum Kalten Krieg dann doch nicht mehr für so gradlinig. Aus mehreren Gründen lässt sich nämlich Irans Drohung mit der „Bombe“ nicht mit dem Ost-West-Konflikt vergleichen. Da geht nichts auch nur in Ansätzen parallel. Ich beschränke mich auf ein Beispiel: die Sowjetunion hatte dem Westen niemals mit der Vernichtung gedroht; Herr Ahmadinedschad dem „künstlichen Gebilde“ Israel allerdings immer wieder mitgeteilt, dass seine Zeit zu Ende gehe. Lassen Sie sich nicht von irgendwelchen vermeintlichen Friedensfreunden und tatsächlichen Israelhassern einreden, hier liege ein Übersetzungsfehler vor! So häufig können Übersetzer gar nicht irren, wie der iranische Präsident Israel von der Landkarte hat ausradieren wollen.

Aber kommen wir zu Obamas Angebot, Israel Schutz vor einem Angriff aus dem Iran zu bieten. Der Reuters-Meldung zufolge soll es sich dabei um die Verpflichtung der USA zu einem Zweitschlag handeln, sollte das Mullah-Regime auf Israel einen Erstschlag feuern. Logisch: kein Zweitschlag ohne einen Erstschlag.
Ebenfalls ein Gesetz der Logik und nicht allzu schwer verständlich ist, dass der Iran, um einen nuklearen Erstschlag begehen zu können, die entsprechenden Waffentechnologien haben muss. Sonst ginge es ja nicht.
Glauben wir der Nachrichtenagentur Reuters, dann ginge Obamas Angebot von einem Szenario aus, in dem der Iran Atomwaffen einsetzt, also auch darüber verfügt. Ein solches Szenario wurde jedoch bislang stets von westlichen Staaten wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland und vor allem den USA ausgeschlossen. Alle, also Sarkozy, Brown und Merkel sowie in den USA Bush und Obama haben stets verdeutlicht, dass der Iran unter keinen Umständen Atomwaffen in die Hände bekommen wird, weil sie dieses nämlich unter allen Umständen und mit allen Mitteln verhindern werden.

Abgeklärt oder gleichgültig

Meine weiteren Überlegungen führten dahin, dass die zitierte Zweitschlagsandrohung in militärstrategischer Hinsicht absolut keinen Sinn ergibt. Sie hätte ausschließlich die politische Wirkung, dass die USA im Falle einer Aggression Irans gegen Israel zu einem Atomschlag verpflichtet wären. Allein schon, um in diesem – wie gesagt: rein hypothetischen – Fall überhaupt noch ein Quäntchen ernst genommen zu werden. Hier soll allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass allein die Vorstellung, alle Welt würde einfach nur zuschauen, wie Ahmadinedschad das bereits begonnene Ausradieren Israels in aller Ruhe zu Ende bringt, an schauderlicher Absurdität kaum zu überbieten ist.
Diese Vorstellung ist schauderlich, weil sie an das Verhalten der Welt angesichts des Holocaust erinnert. Sie ist absurd, weil die Juden, weil Israel - zur Not auch ohne die Weltgemeinschaft - nicht tatenlos der eigenen Vernichtung zusehen werden.

Kurzum: die Reuters-Meldung ist eine Ente. Ich hatte sie nicht nur für bare Münze genommen, sondern auch noch für eine gute Nachricht gehalten. Gut, dass mir Jo ein bisschen auf den Fuß getreten hat. Da habe ich wenigstens einmal nachgedacht. Und ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass Distanz nicht nur Abgeklärtheit, sondern auch Gleichgültigkeit mit sich bringen kann. Und dass dazwischen nur ein ganz schmaler Grad verläuft.

Werner Jurga, 15.12.2008

 

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