Nachdenken über die Rente

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Helmut Laakmann (Die Linke) geht verschärft auf die 60 zu. Da muss er natürlich mal so langsam

Nachdenken über die Rente

Letzten Donnerstag hat er dazu ein Referat gehalten auf einer Veranstaltung der Linkspartei in Rheinhausen. Ich war nicht da, nicht etwa, weil ich meinte, mich von der Linkspartei abgrenzen zu müssen. Nicht etwa, dass ich, weil ich schon Rente erhalte, nicht über Rentenpolitik nachdächte.
Nein, ich hatte einfach keine Zeit. Ich hatte eine andere Parteiveranstaltung in Rheinhausen vorgezogen, nämlich eine meiner Partei, der SPD. Da stellten sich die beiden konkurrierenden Kandidatinnen für unseren Bundestagswahlkreis vor. Das war schon interessant, zum Beispiel auch deshalb, weil sich die „Herausforderin“ schwerpunktmäßig auch mit sozialpolitischen Fragen befasst.
Bärbel Bas erklärte, dass ein Arbeitnehmer mit einem Stundenlohn von 7,50 Euro brutto (das fordert die SPD als generellen Mindestlohn), selbst wenn er 45 Jahre lang Beiträge „einzahlt“, nicht die gesetzliche Mindestrente erreicht.

Wie gut, dass es „Die Linke“ gibt! Die fordert nämlich einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto. Denn das sagt ja schon der Name: „Die Linke“ steht links von der SPD, einen ganzen Euro weiter links. Und weil schon etwa 7,70 Euro pro Stunde reichen, um die Mindestrente zu packen, hätten die einfachen Malocher dann zehn Prozent mehr als nötig. Natürlich: „unterbrechungsfrei“, nicht einmal arbeitslos oder so, sondern nur, wenn sie 45 Jahre pausenlos einzahlen. Wenn es nach der Linkspartei ginge ...
Geht es aber nicht. Sonst wäre es ja gut; dann könnten die Rentner ja richtig nach einem ausgefüllten Arbeitsleben die Post abgehen lassen.

Wie gesagt: ich war ja nicht auf der Linkspartei-Veranstaltung. Ich muss mich also an den Bericht des NRZ-Redakteurs halten, der leider nicht im Netz steht. Beginnen wir mit dem ersten Satz, einem Zitat von Helmut Laakmann:

„Private Rentenversicherungen sind unsolidarisch“

Dieser Aussage könnte ich doch eigentlich selbst dann zustimmen, wenn sie von einem Linken kommt. Lassen Sie mich kurz nachdenken! Wahrscheinlich handelt es sich um eine kleine Spitze gegen die Riester-Rente, steht da aber nicht. Vielmehr führt, dem Bericht zufolge, Helmut Laakmann an diese bahnbrechende Erkenntnis die Forderung an, auch Reiche sollten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Da dies die SPD (und die Grünen) unter dem Markenzeichen „Bürgerversicherung“ ebenfalls fordert, will ich dagegen ebenfalls nichts einwenden. Doch je mehr ich über die unsolidarische Rentenversicherung, nämlich die private (PRV), nachdenke, desto klarer wird mir, dass Laakmann sagen will, dass die GRV, nämlich die gesetzliche Rentenversicherung, eine solidarische Veranstaltung ist.
Ganz klar: das meinte Helmut Laakmann. Möglich sogar, dass er dies letzten Donnerstag gesagt hat. Das kann und darf er ja auch sagen; schließlich sagen das ja fast alle. Gerade in der SPD meinen viele, die GRV sei eine „Sozialversicherung“, also etwas Sozialstaatliches, etwas Solidarisches. Gut und schön; nur: das ist falsch. Richtig ist vielmehr:

Auch die Gesetzliche Rentenversicherung ist unsolidarisch

Ich weiß besser als die meisten Anderen, dass die GRV substanziell wichtige sozialstaatliche Leistungen erbringt. Sie finanziert alles, was unter dem Rubrum „Reha vor Rente“ läuft, und sie zahlt die Invalidenrenten. Die „Berufsunfähigkeitsrente“ gibt es in alter Form nicht mehr; aber es gibt Millionen Rentner wegen verminderter oder vollständiger Erwerbsunfähigkeit. Deshalb ist es auch so ekelhaft, wenn PRV-Vertreter ihre Renditen mit denen der GRV vergleichen.
Allerdings: das Geradestehen für Kranke und Behinderte ist doch eine originäre Aufgabe staatlicher Politik und nicht einer „Sozialversicherung“. Dies ist mehr als eine Finanzierungsfrage; dies berührt einen zivilisatorischen Grundsatz. Diese Aufgaben haben nicht nur Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schultern, sondern alle. Sie müssen also steuerfinanziert werden.
Es ließe sich hier auch noch anführen, dass niedrigere Sozialbeiträge positive Beschäftigungseffekte mit sich bringen. Damit hätte ich allerdings noch nicht dargelegt, warum ich an der GRV nichts, aber auch gar nichts Solidarisches bzw. Sozialstaatliches erkennen kann.

Sozialstaat bedeutet, dass die starken Schultern mehr Lasten zu tragen haben als die schwachen – womit wir bei der Einnahmenseite wären. Der Steuerstaat finanziert sich auf Basis der Steuerprogression, d.h. Bezieher hoher Einkommen bezahlen nicht nur mehr Steuern als Einkommensschwache. Sie unterliegen auch einem höheren Steuersatz. Nicht einmal Neoliberale vom Schlage eines Merz oder Kirchhof wollten an diesem Grundsatz etwas ändern.
Auf der Ausgabenseite sind es die „kleinen Leute“, denen der Sozialstaat hilft. Die Staatshaushalte dienen ihrem Wesen nach der Umverteilung, der Umverteilung von oben nach unten.
Ganz anders sieht es bei den „Sozialbeiträgen“ aus. Jeder, jedenfalls jeder im klassischen Erwerbssystem „zahlt ein“ – zum gleichen Beitragssatz. Allerdings nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe … wer kann mir mal erklären, was daran so sozial sein soll?! Und die Rente derjenigen, die mehr „eingezahlt“ haben, ist höher als die der anderen. In genauer Proportion, „entsprechend“ – ganz schön links. Nichts wird hier umverteilt, gar nichts! Die soziale Ungleichheit wird punktgenau abgebildet und für das Altenteil festgeschrieben.
Die Gralshüter der GRV wenden ein, gäbe es eine Grundrente, dann könne man ja „jahrzehntelang auf dem Kudamm Balalaika spielen“ und stehe genauso gut da wie jemand, der  die ganze Zeit tüchtig gearbeitet habe. Übrigens: dieses Bonmot mit der Balalaika stammt nicht von Blüm, sondern von meinem Genossen Dreßler, der heute mit der Linkspartei sympathisiert.

Demographischer Wandel? - Völlig Egal?

Die Linkspartei selbst und erst recht Helmut Laakmann würden in ihren Referenzen an das Bismarcksche System natürlich nie das Stereotyp vom Faulenzer im Kommunismus bemühen. Man begnügt sich damit, positiv zu behaupten, in der GRV gebe es ein Solidarprinzip. Wer da nun eigentlich mit wem solidarisch ist, bleibt unausgesprochen. Vielleicht die Jungen mit den Alten? Stichwort „Generationenvertrag“?
Wie eingangs erläutert: er funktioniert nicht mehr. Zwei Weltkriege hat er überstanden, sagte Blüm gern – wahrscheinlich gerade deshalb, quatschte ich dann gern dazwischen. Womit wir bei der Alterspyramide wären, die – seit langem gut vorhersehbar – in Ermangelung von Kriegen und dank des medizinischen Fortschritts mehr und mehr Kopf steht.
Früher haben 14 Beitragszahler einen Rentner finanziert, heute sind es nur noch drei, trug auch Laakmann bei der Linkspartei vor. Bald sind es nur noch zwei. Doch auch dies, nämlich der demographische Wandel, könne eigentlich der GRV nichts anhaben. Man müsse nämlich den enormen Produktivitätsfortschritt bedenken: stecke man den nämlich komplett in die Taschen der Rentner, funktioniere das nämlich alles sehr gut. Das erzählt auch Oskar Lafontaine in jeder Talkshow. Sicher: auf die Rentner kämen keine Kürzungen zu, auf die Arbeitnehmer Erhöhungen nur noch bei den Beiträgen und nicht mehr bei den Löhnen, und die Arbeitgeber bekämen vom Produktivitätsfortschritt auch nichts ab. Dann gucken sie aber blöd, die Kapitalisten. Dann ist nichts mehr mit Super-Profiten, mit denen dann neue Maschinen und Anlagen gekauft werden. Die vernichten ja doch nur Arbeitsplätze; das wusste schon immer jeder, erst recht jeder Linke, sogar schon ohne die weise Partei. Die gab es da noch gar nicht.

Aber jetzt erst ist es mir klar geworden: Produktivitätsfortschritt = weniger Arbeitsplätze = höhere Renten.
Ja, so ist das mit der Ökonomie: alles hängt irgendwie mit allem zusammen.
Daran ist bestimmt die SPD Schuld, muss ja …

Werner Jurga, 08.09.2008

 

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