Moshe Zimmermann

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Aus Anlass des 60jährigen Jubiläums der Staatsgründung Israels fand im NRW-Landtag eine Feierstunde statt. Die Festrede hielt Prof. Moshe Zimmermann, die die WAZ heute in Auszügen dokumentiert. Diese finden Sie hier.
Wer es noch kürzer mag, lese die von mir ausgesuchten Auszüge aus den Auszügen.

Werner Jurga, 07.06.2008

 

Der Blick in den Spiegel

Dass man eben diesen Geburtstag Israels so aufwendig begeht, zeigt doch wohl, dass die besonderen Beziehungen mehr als nur eine Floskel sind. Man muss sich jedoch fragen, worauf diese besonderen Beziehungen beruhen. Der Düsseldorfer Heinrich Heine beschrieb die besonderen Beziehungen vor mehr als 150 Jahren, also lange bevor man Bücher und Menschen im Dritten Reich verbrannte, auf eine Art, die man heute vielleicht aktualisieren könnte. Zitat: Es ist in der Tat auffallend, welche innige Wahlverwandtschaft zwischen beiden Völkern der Sittlichkeit, den Juden und Germanen, herrscht. (...)
Und wieder ein Zitat: Die Juden waren die Deutschen des Orients. (...) Was beide Gesellschaften, die israelische und die deutsche, heute miteinander verbindet, ist jedoch nicht allein die besagte Verwandtschaft, die vergangene Begegnung oder auch überlebte Kollision, sondern die gegenwartsbezogene Wahrnehmung im Sinne der Zitate von Heine. (...)
Nachdem die Rechtspartei Likud im Jahr 1977 an die Macht gekommen war und die Parole „Ganz Israel” (...) zur Regierungspolitik gemacht hatte, initiierte sie eine aggressive Siedlungspolitik, die auf Kosten der arabischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten und ihrer nationalen Ansprüche praktiziert wurde. In Zusammenarbeit mit religiösen Kräften übernahm man Schritte, die den Judenstaat zum jüdischen Staat im orthodoxen und ethnischen Sinne werden lassen sollten. Auch hier ist ein Blick in den deutschen Spiegel hilfreich, denn aus seiner Vorgeschichte hat Deutschland in den letzten 60 Jahren gelernt, nicht auf militärische Konfrontation zu setzen, den Kulturkampf zu meiden, ethnozentrische Vorstellungen in Frage zu stellen, demokratische Prozesse zu bevorzugen und Geduld zu entwickeln. (...)
Die Vorstellung von Pluralismus sollte sich heute auch auf die Teilnahme der arabischen Bevölkerung an der israelischen Gesellschaft beziehen. Das bedeutet mindestens, dass Araber nach dem Einbürgerungsgesetz im Vergleich zu Juden nicht diskriminiert werden. Der Zionismus stand schon kurz nach seiner Entstehung am Ende des 19. Jahrhunderts im Zeichen des Sozialismus. (...) Aus dem Nachkriegsdeutschland schauten deswegen nicht nur Sozialreformer und Sozialpolitiker mit Hochachtung auf das angeblich gelungene Experiment Israel. (...)
Die überwiegende Mehrheit der Israelis glaubt, dass das heutige Deutschland ein anderes Deutschland ist als vor '45 und dass man die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland als normal bezeichnen kann. Zu diesem Schluss jedenfalls kamen in den letzten Jahren etwa 70 Prozent der israelischen Juden, von denen man aufgrund der Ereignisse vor der Staatsgründung eine negativere Einstellung hätte erwarten können. (...) Jüngere Menschen sind weniger als ältere, religiöse viel weniger als nicht-religiöse, Einwanderer weniger als die im Lande geborenen Deutschland gegenüber positiv eingestellt (...)
Und der Versuch, das Beispiel Europa auf den Nahen Osten zu übertragen, ist nicht so aussichtslos und absurd, wie man vielleicht zunächst annehmen könnte. Wenn Deutschland und Israel an ihrer Wahlverwandtschaft weiterarbeiten, dann können wir hoffen, dass andere irgendwann hier die Vorteile erkennen und sich den normalen und doch besonderen Beziehungen anschließen. Ich bedanke mich für Ihre Geduld.

Moshe Zimmermann

 

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