Natürlich war es langweilig, das TV-Duell. Bei der Verwendung des Adverbs natürlich ist höchste Vorsicht geboten. Doch in diesem Fall kann man es ganz unbesorgt in den Mund nehmen bzw. in die Tasten kloppen. Natürlich hat einen nichts vom Hocker gerissen. Natürlich haben beide nichts gesagt, wovon wir noch nichts wussten. Natürlich haben sowohl Merkel als auch Steinmeier ausschließlich bekannte Positionen vertreten. Natürlich schätzen sich die beiden menschlich sehr. Natürlich, natürlich, natürlich … Dass sie sich nicht duzen, wie wir gleich zu Beginn der Sendung erfahren durften, muss einem da schon irgendwie unnatürlich erscheinen. Auch dass sie ihre – von beiden gelobte – Zusammenarbeit nicht fortsetzen wollen … okay, das mussten sie sagen. Natürlich. Nur so richtig glaubwürdig erschien es nicht.
Natürlich war es langweilig
Na, was haben Sie sich denn vorgestellt?! Wie hätte es denn auch sonst verlaufen sollen, das Gespräch der Chefin mit ihrem Vize? Ein Ritual. Wir wussten vorher, bei welchen Themen die beiden im Grunde übereinstimmen, und bei welchen Themen eben nicht. Mindestlohn und Atomkraft vor allem. Wir wussten, dass Steinmeier vor der marktradikalen FDP warnen wird, obwohl es nur diese FDP gibt und keine andere. Wir wussten, dass Merkel vor der Linkspartei warnen wird, obwohl die SPD eine Koalition im Bundestag mit ihr ausgeschlossen hat.
Natürlich haben auch Sie inhaltlich nichts anderes erwartet als das, was kam. Deshalb war ja auch von vornherein die spannende Frage eher die, welcher der beiden Duellanten die bessere Tagesform erwischt. Es war Steinmeier. Merkel wirkte von Anfang an stark aufgeregt, fast schon verkrampft. Als Infratest dimap zur Halbzeit, also um Viertel nach Neun, eine repräsentative Zuschauerbefragung machte, lag Steinmeier klar vor Merkel. In der zweiten Halbzeit wurde sie dann aber deutlich lockerer, Steinmeier geriet ein-, zweimal unter Druck, und für das Schlussplädoyer hatte die Kanzlerin das bessere, weil mehr menschelnde Manuskript auswendig gelernt. Dafür konnte Steinmeier in der zweiten Hälfte ein richtiges Traumtor erzielen. Um im Bild zu bleiben: er schnappte sich den Ball, ein starkes Solo (was auch sonst?) und hämmerte unhaltbar ins Eck. Er rechnete seiner Regierungschefin vor, dass die von ihr in Aussicht gestellten Steuersenkungen, wenn sie - wie versprochen – durch Wachstum generiert werden sollen, eine jährliche Steigerung des BIP von 9 % erforderten. Damit hatte Merkel nicht gerechnet. Ein verzweifelter Versuch, dagegen zu halten („ich habe da andere Zahlen“) – zwecklos, Tor zählt, der saß.
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