Jetzt wird es gefährlich

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Jetzt wird es wirklich gefährlich.
Die Wirtschaftskrise wird gefährlich. Ob auch die Pandemie, über deren Namen man sich weltweit auf „Schweinegrippe“ geeinigt hat, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen. 

Ein kluger Freund sagte mir gestern, nachdem sowohl die Hysterie um SARS als auch um die sog. „Vogelgrippe“ ausgegangen waren wie das Hornberger Schießen, sei er in diesen Dingen doch stark desensibilisiert. Dabei hat er jedoch von einem wesentlichen Unterschied abstrahiert. Der H1N1-Virus ist inzwischen so weit mutiert, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung als gesichert gilt. Davon kann man aber nicht abstrahieren.
Allerdings weisen die gegenwärtigen Berichte aus den USA darauf hin, dass der H1N1-Virus medizinisch beherrschbar ist. Freilich könnte er weiter mutieren, was allerdings reine Spekulation ist. Vor neunzig Jahren kam H1N1 unter dem Namen „Spanische Grippe“ zu trauriger Berühmtheit (25 bis 50 Mio. Tote). Die „Russische Grippe“ erreichte 1977/78 keine pandemischen Ausmaße, so dass die Zahl der Todesopfer unter einer Million blieb. Wie gesagt: diesmal heißt die durch den H1N1-Virus verursachte Influenza nicht etwa „Mexikanische Grippe“, sondern einfach „Schweinegrippe“. Das klingt auch nicht nett, aber immerhin noch besser als „Lungenpest“.

Grippe medizinisch beherrschbar 

Mein bereits zitierter Freund gerät nicht in Panik. Zu Recht. Leider ist er schon insofern nicht ganz repräsentativ, weil er, wie ich schon bemerkt habe, klug ist. Das bedeutet, dass, auch wenn der Verlauf der Influenza-Pandemie überhaupt nicht abschätzbar ist, wir doch davon ausgehen müssen, dass spätestens nach Meldung der ersten Erkrankung in Deutschland die „Schweinegrippe“ zum ganz großen Medienereignis wird. Alle anderen Themen werden in der öffentlichen Aufmerksamkeit weit nach hinten gedrängt. Auch die Wirtschaftskrise - und die wird jetzt wirklich gefährlich! Vielleicht auch wegen der absehbaren Panik in Sachen „Schweinegrippe“.
Dass eine Pandemie das Wirtschaftsleben beeinträchtigt, wenn sie medizinisch außer Kontrolle gerät, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wenn massenweise Menschen nicht arbeiten können, weil sie krank sind, schlägt sich dies in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung selbstverständlich nieder. Wenn sie nicht zur Arbeit gehen, weil sie Angst haben, sich mit der Influenza zu infizieren, macht dies ökonomisch keinen allzu großen Unterschied. Aber schon die absehbare Panik könnte ökonomische Auswirkungen haben. Sollten sich die Regierungen – ob zu Recht oder zur „Beruhigung“ – gezwungen sehen, den grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr deutlich einzuschränken, wären die wirtschaftlichen Folgen unabsehbar.

Wirtschaftskrise bald außer Kontrolle? 

Gut denkbar ist, dass sich das Medienereignis „Schweinegrippe“ genauso in Luft auflöst wie damals die Ängste wegen SARS oder der „Vogelgrippe“. Ich halte dies für die wahrscheinlichere Variante.
Leider droht auch in diesem Fall die Weltwirtschaftskrise aus dem Zentrum des öffentlichen Interesses zu verschwinden. Die von den Instituten vor Kurzem und von der Regierung in Kürze prognostizierten Zahlen haben inzwischen tatsächlich einen Bezug zur Wirklichkeit.
Seit Januar 2008 wurden deren Prognosen von mir in regelmäßigen Abständen angezweifelt – und zwar zu Recht, wie wir ebenfalls seit einiger Zeit wissen. Doch die jetzt in Aussicht gestellten fünf bis sechs Prozent BIP-Rückgang könnten hinkommen; ich beabsichtige nicht zu „überbieten“. Die auf dieser Basis „errechneten“ Arbeitslosenzahlen erfüllen zwar (noch?) den Tatbestand der Schönfärberei; aber ich will nicht kleinlich sein. Sofern die „Schweinegrippe“ nicht noch zu einem weitgehenden Zusammenbruch aller Wirtschaftstätigkeit führt, ist das, was auf uns zukommt, einigermaßen unters Volk gebracht.

Und genau deshalb wird es jetzt wirklich gefährlich. Alles ist gesagt, und doch haben die meisten nichts verstanden. Und schon signalisiert der Ifo-Index, ein Ende des Absturzes sei in Sicht. Die Weltkonjunktur zeigt ein mattes Licht im Dunkeln, und Bundesbankpräsident Axel Weber gibt zu Protokoll, es gehe nun „weiter bergab, nur nicht mehr so schnell.“
Nichts von alledem soll irgendwie in Zweifel gezogen werden. Es ist die Wirkung dieser Meldungen, die Anlass zu größter Sorge gibt. Es entsteht der Eindruck, der Anfang vom Ende der Krise sei in Sicht. Wenn nach dem Absturz von fünf oder sechs Prozent es im nächsten Jahr „nur“ noch um ein bis zwei Prozent zurückgehe, dann gerät schnell aus dem Blick, was ein „Minuswachstum“ für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit bedeutet.

Es kann nicht darum gehen, „soziale Unruhen“ herbei zu schwadronieren oder gar dazu aufzurufen. Kurz gesagt: das ist albern. Wenn aber im Ergebnis der Druck der Bevölkerung (der Wähler) auf die Politik nachlassen sollte, mit allen erdenklichen Mitteln gegen die Wirtschaftskrise zu steuern, dann droht wirklich eine Katastrophe.

Werner Jurga, 27.04.2009

 

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