Interview mit dem Bundesgeschäftsführer
der Partei Die Linke
„Kein Platz für solche Positionen“
Dietmar Bartsch über die
Linkspartei und Antisemitismus
Jüdische Allgemeine, 11.03.2009
Herr Bartsch, wann bekommt die Links-
Partei ihr Antisemitismusproblem in den
Griff?
Bartsch: Die Linke hat kein Antisemitismusproblem.
Solche Positionen haben in unserer
Partei keinen Platz. Äußerungen, die antisemitisch
sind oder wirken, sind für uns gänzlich
inakzeptabel, und wir werden sie auch
künftig immer zurückweisen.
Schon August Bebel sprach vom linken
Antisemitismus als dem „Antikapitalismus
der dummen Kerls“.
Bartsch: Es zeugt in der Tat nicht von Klugheit,
die Kritik am Kapitalismus als eine Kritik
am Charakter oder Verhalten von Menschen,
Völkern oder Religionsgemeinschaften
zu führen. Diese Verwechselung nannte Bebel
„dumm“. Es gibt keinen linken oder rechten
Antisemitismus. Antisemitismus ist Antisemitismus,
egal aus welchem politischen Lager er
kommt. Ein Problem heute ist, die Kritik an
der israelischen Regierungspolitik so zu formulieren,
dass sie weder Antisemitismus Vorschub
leistet, noch des Antisemitismus verdächtigt
werden kann.
Zuletzt hat der Linke-Kandidat für das
Duisburger Oberbürgermeisteramt, Hermann
Dierkes, zum Boykott israelischer
Waren aufgerufen. Warum war von den
Parteivorsitzenden Lothar Bisky und Oskar
Lafontaine kein Widerwort zu hören?
Bartsch: In diesem Punkt gibt es keinerlei
Differenzen in der Parteiführung. In einer Erklärung
der Bundesebene wurde klar gestellt:
Mit Boykottaufrufen ist eine Lösung
im Nahost-Konflikt nicht zu erreichen.
In der Partei gab es aber auch Sympathie
für Dierkes.
Bartsch: Aus der Geschichte kann man sich
nicht davon stehlen. Wer als politisch handelnder
Deutscher zum Boykott Israels aufruft,
muss wissen, in welche Tradition er sich
damit begibt, mit welchen Assoziationen des
kollektiven Gedächtnisses er spielt. Daraus
gibt es kein Entkommen. Fehlendes Geschichtsbewusstsein
führt auch zur politischen
Disqualifikation.
Jüngst hat der Linke-Abgeordnete Norman
Paech bemängelt, dass von der Geberkonferenz
in Kairo kein Geld an die
Hamas fließen soll.
Bartsch: Was die Hamas angeht, so gibt es
inzwischen auch in den USA die Tendenz,
mit den Islamisten zu reden. Ohne Wenn und
Aber: Es ist immer besser zu verhandeln als
zu schießen.
Mit dem Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke sprach Martin Krauß.
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