Ingrid Lenders

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Kennen Sie eigentlich Erwin Sellering? – Nein? Also nicht.
Umso besser, dass Sie trotzdem mal meine Homepage besuchen. Hier wird nämlich politische Bildung groß geschrieben. Ohne akademischen Schnickschnack werden komplizierte Sachverhalte didaktisch so aufbereitet, dass auch im Arbeitsleben gestresste Leistungsträger, die gleichwohl politisch interessiert sind, die Hintergründe des Zeitgeschehens erfassen können.
Fangen wir also etwas einfacher an. Sie kennen doch Franz Müntefering. Richtig: der kommt aus NRW und ist in der SPD; genau wie ich und z.B. auch Erwin Sellering – doch dazu später mehr. Übrigens bin ich der einzige der drei NRW-Sozis, die ihren Lebensmittelpunkt nach wie vor hier haben. Mir bedeutet nämlich Heimat eine ganze Menge. Auch dazu später mehr.
Wir beginnen mit Franz Müntefering. Am 12. April ging durch alle Medien, dass er die DDR nicht nur für einen Unrechtsstaat hielt. Die Süddeutsche Zeitung titelte:

 Müntefering will Grundgesetz ablösen

Müntefering sprach sich für eine differenzierte Beurteilung der DDR aus, müssen wir dort lesen. Der Welt zufolge hat der Genosse Vorsitzende gar gesagt, die DDR wurde dem Westen "zugeschlagen".  Okay, das war so; aber so sagt man das nicht. Zugeschlagen hört sich irgendwie so gewalttätig an; beigetreten muss es heißen. Und weil die das freiwillig gemacht hat, also die DDR mitsamt unseren Menschen, verstehe ich auch noch nicht so ganz, warum das Grundgesetz abgelöst werden soll. Auf selbiges hat der Franz doch bestimmt noch öfter geschworen als ich. Aber egal, für eine differenzierte Beurteilung der DDR bin ich auf jeden Fall zu haben; denn politische Bildung bedeutet ohnehin, alles und jedes differenzierter zu sehen.

Allerdings wäre es schon nicht schlecht, würde man das ein oder andere politische Detail auf der Pfanne haben, auch wenn es sich nur um ziemlich undifferenziertes Tatsachenwissen handelt. Wie heißt der Bundesaußenminister? Wie heißt der oder die Vorsitzende der Grünen (Achtung: Fangfrage)? Oder: wie heißt der Ministerpräsident von … sagen wir mal: Mecklenburg-Vorpommern?
Richtig: Erwin Sellering. Das war jetzt aber auch leicht. Weil aber natürlich nicht alle Leute über solch ein profundes politisches Wissen verfügen wie Sie, und damit auch der oder die Letzte nicht nur weiß, wer Erwin Sellering ist, sondern auch, wie differenziert er zu denken vermag, bspw. über die DDR, lesen wir im neuen Focus:
„Wir können nicht so tun, als sei ein idealer Staat auf einen total verdammenswerten getroffen“, sagte Sellering. „Die Bundesrepublik hatte ihre Schwächen, und die DDR hatte ihre Stärken.“ Er stehe zu seiner Aussage, dass die DDR nicht als „totaler Unrechtsstaat zu verdammen“ sei. Man solle „nicht so tun, als ob es nicht das kleinste bisschen Gutes in der DDR gegeben hätte“.
Und nach der Lektüre des Artikels kann man auf Focus Online zur Abstimmung schreiten und Erwin Sellering Schulnoten erteilen. Kopfnoten für Kompetenz und Glaubwürdigkeit, klar: nach so Sprüchen ist mehr als eine 4,7 nicht drin. Etwas besser sieht es – logischerweise - bei der Durchsetzungsfähigkeit aus: 4,6.

Wie hältst du’s mit der DDR?

Es sind auch in der DDR gerechte Urteile gefällt worden, wird Sellering heute im Tagesspiegel zitiert und stößt dabei, wie wir an gleicher Stelle lesen können, auf entschiedenen Widerspruch. Es sei „völlig klar, dass die DDR auf Unrecht gegründet war“, das DDR-System habe auf Angst und Lüge beruht, erklärte uns ein ehemaliges FDJ-Leitungsmitglied, das bis 1984 FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda war. Sie war damals im zarten Alter von 30 Jahren und hatte sich in der FDJ richtig wohl gefühlt. Ihre marxistisch-leninistische Grundsatzarbeit Was ist sozialistische Lebensweise ist leider spurlos verschwunden, was jedoch insofern so schlimm auch wieder nicht ist, da Frau Dr. Angela Merkel nicht mehr in allen Punkten zu ihrem Grundsatzwerk steht.
Die Frage „Wie hältst du’s mit der DDR?“ schreit also geradezu, will man nicht wie Merkel von einem Extrem ins andere schlittern, nach Münteferings differenzierter Beurteilung. Ich sage mal so: Es war kein Zuckerschlecken in der DDR. Es gab weder Bananen noch BMW Cabrios. Was sich eventuell noch hätte verschmerzen lassen; aber: es gab auch weder Coca Cola noch Marlboro, was mich ohne Frage und ziemlich zügig ins Lager der Konterrevolution getrieben hätte.

Andererseits hatte die DDR hier und da auch ein kleines bisschen Gutes, ja sogar ihre Stärken. So hören wir beispielsweise von Ingrid Lenders, dass sie als Kind mittels eines MG (Maschinengewehrs , ich war 5 Jahre alt) aus dem Kindergarten "entfernt" wurde.
Ja, so ging das damals in der DDR. Daran ist natürlich heutzutage nicht einmal im entferntesten zu denken. Wir dürfen Frau Lenders, obwohl sie längst erwachsen ist, nicht einmal ohne Androhung von Waffengewalt aus Rheinhausen „entfernen“, möglicherweise auch deshalb, weil nicht so ohne weiteres ein geeignetes Aufnahmegebiet für sie gefunden werden könnte.
Frau Lenders ist hier in Rheinhausen Frontfrau der rechtspopulistischen SGU, die sich Wählerbündnis nennt, auch wenn es sich weniger um ein Bündnis von Wählern handelt, sondern mehr um einen Pakt von abgehalfterten Möchtegern-Kommunalpolitikern. Das Bemerkenswerte: bis vor Kurzem tummelte sich dieses Häuflein Ausländerfeinde noch in der Duisburger SPD. Erst als man bei der Kandidatenaufstellung für die Kommunalwahl nicht (mehr) auf aussichtsreichen Plätzen berücksichtigt wurde, wurde flugs der SGU-Verein gegründet, der sich zunächst zwischen der SPD und der Linkspartei angesiedelt wissen wollte.
Um es klar zu sagen: dieses Geschwätz war nichts als irreführende Wahltaktik. Die jetzt offen vorgetragene türkenfeindliche Propaganda ist gewiss auch wahltaktisch motiviert; aber – glauben Sie mir: sie kommt aus tiefstem Herzen. Oder aus tiefster Seele. Sorry, beide Metaphern taugen bei diesen Kameraden nicht so recht.

Frau sucht Führer

Nun ist es mir kein besonderes Anliegen, rassistische Ausfälle auf meiner Webseite zu verbreiten. Ich mache es aber dennoch, nur um mir nicht den Vorwurf zuzuziehen, ich wolle Abtrünnige aus wahlpolitischen Motiven mit Dreck bewerfen.
Ganz abgesehen davon, dass ich eine solche Vorhaltung ohnehin zum Schmunzeln finde – aber aus der Dierkes-Geschichte habe ich gelernt, dass nichts zu blöde ist – Frau Lenders produziert ihren Dreck höchstselbst. Es geht um die – gestern kommentierte – Provinzposse um den Straßennamen und um den gar nicht unklugen Vorschlag der Grünen, den Rheinhauser Marktplatz nach der türkischen Partnerstadt zu benennen. Ich zitiere aus der gestrigen Ausgabe der Rheinischen Post:
Der Vorschlag weckt schon jetzt den Unwillen der Bevölkerung, will Ingrid Lenders zu berichten wissen. Wie genau die Rheinhauser wirklich dazu stehen, das will das Wählerbündnis mittels einer Umfrage ... auf dem Marktplatz erfragen.

Aber die Dame sammelt nicht nur Unterschriften, um den vermeintlichen Unwillen der Bevölkerung – klar: Bevölkerung, das sind wir, die Eingeborenen mit den eingeborenen Eltern – dokumentieren sollen, sie beteiligt sich auch ganz persönlich trotz beträchtlicher orthographischer Defizite auf derWesten.de am Gejaule der besser schweigenden Mehrheit. Originalton Lenders: 
Die Gefühle unserer türkischen Freunde würden also verletzt werden, wenn ...
Na, da kann man nicht meckern. Die Türken sind sogar „Freunde“; „unsere“, versteht sich. „Wir“ müssen also andere sein. Hoffentlich zählt sie mich nicht dazu! Insofern haben die Türken Glück: sie gehören nicht dazu.
Aus dem Kontext wird allerdings deutlich, dass sie mit „uns“ nicht die rechtspopulistische SGU meint, sondern die restlichen Bewohner dieser Stadt. Wenn also Frau Lenders über die Gefühle unserer türkischen Freunde, die nicht verletzt werden, sondern würden räsoniert, haben wir es also mit einem miserablen Versuch zu tun, ihre besonders widerwärtige Form von Rassismus zu kaschieren.

Es gibt Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, die keinen Migrationshintergrund haben und die sich ernsthaft Gedanken darüber machen, warum auf die Befindlichkeiten der Menschen mit Migrationshintergrund inzwischen mehr Rücksicht genommen wird, als auf die Befindlichkeiten der restlichen Bewohner dieser Stadt?
Das Fragezeichen ist von Lenders gesetzt, sei es irrtümlich, sei es als Stilmittel. Die Formulierung von den Menschen mit Migrationshintergrund ist wahrlich von nicht ihr in die Welt gesetzt worden, dafür aber frühzeitig von mir kritisiert worden in sichererer Vorahnung, dass sie irgendwann von Menschen wie dieser reinrassigen Dame in den Vordergrund gespielt werden wird.
Bitte lesen ganz genau: die Rede ist von Menschen, auf deren Befindlichkeiten keine oder jedenfalls zu wenig Rücksicht genommen wird. Und die machen sich jetzt ernsthaft Gedanken, die sich bis jetzt immerhin schon zu einem Unwillen der Bevölkerung entwickelt haben. Und damit dieser nicht etwa abebbt, sondern damit das Volk aufsteht und der Sturm losbricht, macht die Führerin der restlichen Bewohner

Front gegen Gaziantep-Platz

Den gibt es zwar gar nicht, und es gibt auch keinen Plan, den namenlosen Rheinhauser Marktplatz so zu nennen. Und die Rheinhauser Bezirksvertretung hat deutlich gemacht, mit wie viel Sympathie sie dem Namen der türkischen Partnerstadt gegenübersteht. Doch darum geht es gar nicht.
Eine grüne Bezirksvertreterin hat in einem Wortbeitrag diesen Vorschlag geäußert. Und das reicht, um Front zu machen. Die Front derer, auf deren Befindlichkeit keine Rücksicht genommen wird. Die Front von „uns“, also die deutsche Front.

Ich bin nichts Rechts eingestellt! Ich habe als Kind das DDR Regim erlebt, und wer als Kind mittels eines MG (Maschinengewehrs , ich war 5 Jahre alt) aus dem Kindergarten "entfernt" wurde, der kann niemals für die Rechten oder Linken sein, aber auf jeden Fall eine eigene Meinung haben!
(Original-Text Lenders in derWesten.de)
Nein, natürlich ist Frau Lenders nicht rechts eingestellt, sagt sie. Oder haben Sie schon einmal einen Rechten erlebt, der sich als Rechten bezeichnet. Und eigentlich wäre es auch damit getan, jemanden, der behauptet, als Fünfjährige aus dem Kindergarten mit einer MG „entfernt“ worden zu sein, nicht als rechts oder links einzuordnen, sondern einfach nur als bestusst.
Doch so einfach liegen die Dinge hier nicht. Frau Lenders hat nämlich eine eigene Meinung, und zwar auf jeden Fall. Und für die erhält sie im erwähnten Blog auch Unterstützung; denn wir haben auch das Recht der freien Meinungsäusserung. Zugegeben: das mit dem ß oder ss ist nach all den Rechtschreibreformen wirklich nicht so ganz einfach.

Kehren wir also zum Schluss zu unserem Ausgangsanliegen zurück: der politischen Bildung. In Sachen Freiheit und Demokratie sind da häufig ganz erhebliche Defizite anzutreffen. So bedeutet Demokratie noch lange nicht, dass das Mehrheitsprinzip gegen die Grundrechte missbraucht werden dürfte. Einmal ganz abgesehen davon, dass die Mehrheitsverhältnisse rund um den Rheinhauser Markt recht eindeutig geklärt sind.
Hier ist die Meinungsfreiheit angesprochen, ein in der Tat fundamentales Grundrecht. Meinungsfreiheit bedeutet, dass man eine ganze Menge sagen darf (deshalb mache ich ja zum Beispiel eine Webseite). Meinungsfreiheit bedeutet aber nicht, dass man alles sagen darf (oder was glauben Sie, warum ich mich hier derart zurückhaltend äußere). So ist es zum Beispiel unter Androhung einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren verboten, den öffentlichen Frieden zu stören, indem man zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt, oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass man Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet. Das ist nämlich Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch).

Frau Lenders muss also nicht befürchten, mit vorgehaltener Maschinenpistole „entfernt“ zu werden. Sie würde gegebenenfalls einfach nur – falls gewünscht: vollkommen gewaltfrei – herbeizitiert, um über ihre Untaten nachzudenken.

Werner Jurga, 10.05.2009

 

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