Dierkes´ Rücktritt

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Hermann Dierkes ist zurückgetreten. Er zog damit die Konsequenz aus seinem unsäglichen Boykottaufruf gegen Waren aus Israel. Und er zog sie recht schnell. Wie oft erleben wir ein wochenlanges Gewürge, obwohl doch jeder - auch nur - mäßig politisch Interessierte weiß, was die Stunde geschlagen hat.

Dierkes´ Rücktritt erfolgte gerade mal eine Woche nach seinem Aufruf. Wenn wir mal unterstellen, dass er bereits am Mittwoch Abend, als er sich bei seiner großen Wahlkampfauftaktveranstaltung entschuldigen ließ, diese notwendige Entscheidung getroffen hat - oder zumindest auf dem gedanklichen Wege zu ihr war.
Dierkes beweist damit politische Klugheit. Der etwaige Einwand, so schlau wäre man auch gewesen, übersieht, dass die Sache von außen betrachtet anders aussieht. Wenn man selbst seine ganze Energie, ein Stück Lebensplanung und viele Hoffnungen in solch ein (politisches) Projekt gesteckt hat, fällt es vielen schwer, siehe oben, ihr Scheitern einzugestehen.

Hermann Dierkes hat sich selbst, seiner Partei, den Linken insgesamt und unserer Stadt damit einen Dienst erwiesen. Und wer von mangelndem Durchhaltevermögen spricht, mag zwar damit Recht haben. Dabei übersieht er jedoch Dierkes´ anzuerkennende Größe, uns allen dieses nicht nur unwürdige, sondern auch äußerst schädliche Theater erspart zu haben. Und er übersieht - oder ignoriert, dass Dierkes eine Flut von, ich zitiere aus seinem Offenen Brief vom 26.02.2009, Mails erhalte, eine furchtbare Mischung aus schwersten Beleidigungen und Verleumdungen, antiislamischem Hass, Migranten-feindlichkeit und Morddrohungen.

Ich habe keinen Grund, an Dierkes´ Darstellung zu zweifeln. So wird es gewesen sein; ich glaube ihm das. Es ist nicht zu denunzieren, wenn hier jemand sagt: nicht mit meiner Frau und nicht mit mir! Dierkes berichtet hier von üblem Rechtsradikalismus und von, ja was denn sonst: Straftaten. Politisch motivierten Straftaten.
Ehe nun er oder seine engsten politischen Freunde mir vorwerfen, Krokodilstränen zu vergießen, darf ich beruhigen: ich werde ihm kein Solidaritätswort senden. Er stellt nämlich dieses Treiben des Mobs in unmittelbaren Zusammenhang mit der

Rufmordkampagne … Sie gleicht einer öffentlichen Steinigung

Mit Rufmord dürfte er wohl seine Darstellung als Antisemiten meinen – ja, da war ich möglicherweise der erste. Und eine Kampagne – ja, die hat es unzweifelhaft gegeben. Und daran war mir auch sehr gelegen, worüber sich auch Hermann Dierkes im Klaren ist. Schreibt er doch, dass Stimmen aus der deutsch-israelischen Gesellschaft Duisburg so reflexartig reagiert haben und meine Kritik so unsachlich diffamieren wie bereits im „Flaggenstreit“.
Und Andreas Scholz, ein Blogger bei den Ruhrbaronen, weiß auch ziemlich genau, warum ich so böse Sachen mache. Meine Erklärung gegenüber den Ruhrbaronen erklärt er augenzwinkernd so:

Na also. So geht das. Wenn man weiß, dass es keine Stichwahl bei der OB-Wahl gibt, ist ein aussichtsreicher linker Kandidat neben einem Brandt-Beschleuniger ziemlich störend.
Und was gibt es wirksameres als die Antisemitismuskeule in D. Das gibt doch bestimmt ne Belohnung für Dr. Jurga ;-)

Und so richtig Dresche gibt es auf seinem eigenen Block. Ja, so sind sie, die Sozis. Arbeiten mit allen Tricks, um an die begehrten Pöstchen zu kommen. Ganz schön cleverer Gedanke, Herr Scholz, prima Aufklärungsarbeit! Da wäre sonst bestimmt kein Mensch drauf gekommen. Außerdem: warum denkt der politisch Andersdenkende eigentlich anders? – Gute Frage …
Allerdings keine Frage für so einen richtig strammen Linkspartei-Linken. Für ihn gibt es nämlich nur zwei Möglichkeiten: entweder ist der Andersdenkende doof (erste Erklärung Dierkes)  oder unfair (ebenfalls erste Erklärung Dierkes). Und unfair ist er, weil er an den eigenen Geldbeutel denkt (Erklärung Scholz). Muss ja. So einfach ist das alles.

Einmal ganz abgesehen davon, dass ich weder Sinn darin sehe, einem Sozialdemokraten vorzuwerfen, Sozialdemokrat zu sein, noch darin, einem Israel-Freund vorzuwerfen, Israel-Freund zu sein: ich verwahre mich gegen die Behauptung, beides miteinander zu verquicken. Jedenfalls in diesem Fall. Scholz dürfte Recht damit haben, dass Dierkes´ Scheitern dem OB-Kandidaten der SPD in die Hände spielt. Und da ich für Jürgen Brandt Wahlkampf machen werde, bitte ich um Verständnis, dass ich mich über diesen Nebeneffekt nicht ärgere. Zumal Brandt sowohl beim Flaggenstreit als auch beim Israel-Boykott klare Positionen bezogen hat.
Nur, lieber Andreas Scholz, das war nicht mein Motiv. Nachweislich nicht. Das ist ja das Schöne an eMails. Sie sind so etwas wie Einschreiben. Und aus denen geht auch hervor, wie und wo ich mich in Zukunft für meine Partei einzusetzen gedenke. Klar, so etwas hängt man nicht immer an die große Glocke. Es ist ja auch für die Öffentlichkeit nicht so wichtig. Kurzum: über meine – wenn man so will – persönlichen, politischen Pläne wissen nur wenige Bescheid. Hermann Dierkes zum Beispiel. Wir beide konnten nämlich bis vor sechs Wochen ziemlich gut miteinander.

Werner Jurga, 26.02.2009

 

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