Die dicken Kinder von Duisburg

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Angeblich ...

... stand vorgestern, also am 16.05.2008, in der Duisburger WAZ, ja: angeblich ...
Da kann man natürlich viel erzählen. Vielleicht ist deswegen der Artikel auch nicht im Internet zu finden. Angeblich, tst ... – und dann auch noch voll gegen uns, also gegen unsere Stadt, gegen Duisburg gerichtet. Der Artikel, und zwar ein richtig dicker Artikel – mit der Überschrift:

... ein dickes Problem

Und auch noch ein richtig dickes Foto dabei, auf dem ein richtig dickes Mädchen zu sehen ist. Natalie ist sechs Jahre alt und wiegt 30 Kilogramm. Und weil sie an einem Ernährungstraining teilnimmt, muss sie eine Tomate durchschneiden. Das Bild, das kurioserweise dem dpa-Archiv entnommen ist, zeigt die angebliche 30-Kilo-Natalie, wie sie bei dieser Tätigkeit dreinschaut – nämlich etwa so, als würde ich zum Verzehr dieses eisenhaltigen Gemüses genötigt werden.
Ich esse nämlich Tomaten, wenn überhaupt, nur in Form von Ketchup. Und das habe ich nun davon: ich wiege fast anderthalb Zentner. Dafür bin ich nicht ganz so mollig wie unsere kleine Natalie.

Angeblich ...

... leben in Duisburg landesweit die meisten Kinder mit Übergewicht, heißt es in der zitierten WAZ vom Freitag. Und zwar haben sich in NRW elf Prozent aller Jungen und Mädchen ein Fettpolster für schwerere Zeiten zugelegt, in Duisburg aber sicherheitshalber schon einmal neunzehn. Angeblich. Diese Zahl aus einer neueren Studie, die ebenfalls sicherheitshalber erst gar nicht näher zitiert wird, hält nämlich der Herr Dr. Abteilungsleiter beim Duisburger Gesundheitsamt für „leicht übertrieben“. Es sind nämlich laut Kinder- und Jugendgesundheitsbericht von 2005 (!) nur läppische 16 Prozent. Schwein gehabt !
Leider haben manche Kinder kein Schwein, z.B. diese “mit Migrationshintergrund“: „25,1 % der Jungen und 22,6 % der Mädchen kämpfen hier mit den Pfunden“ – brillant formuliert. Aber „mollige Kinder“ – so der Titel des Schwerpunktthemas – gibt es freilich, so viel Ehrlichkeit und political correctness muss sein, „über alle Nationen hinweg“. „Nationalitäten“ müsste es heißen, wollen wir aber mal nicht der WAZ übel nehmen. Und ob es der Herr Dr. Abteilungsleiter gesagt hat, wissen wir nicht.

Die dicken Kinder von Duisburg ...

Auch beim folgenden Satz wissen wir nicht, ob nun der WAZ-Redakteurin oder dem Gesundheitsbeamten dieser Geistesblitz zu verdanken ist: „So gibt es also zwei Zielgruppen, die die Stadt bei ihrem Werben um gesunde Ernährung erreichen will, Migranten und Deutsche.“
Ja, da legst die nieder! Nur diese beiden? Und die anderen armen dicken Kinder. Wie wär´s denn mal mit a) Jungen und b) Mädchen?
Ladies, Gentlemen and Others, ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass hier Migranten implizit als Nicht-Deutsche, sprich: als Ausländer bezeichnet wurden. Es ist halt schwierig mit der political correctness! Jedenfalls ist dieser Satz nicht als ausländerfeindlich zu bezeichnen; denn die Rede ist ja von „Migranten“. Migrantenfeindlich ist er auch nicht. Dann ist er wohl einfach nur blöd, dieser Satz, versteht sich.

... eine Analyse

Zumal die Deutschen – hier gemeint: die Reinrassigen – auch nicht besser seien. Dies ist zwar von der Zahlen her genauso widerlegt wie die Andeutung, die Fehlernährung deutscher Kinder – Sie wissen ja welche – korreliere mit ihrer Schichtenzugehörigkeit. Wir lernen: „So existiert eine Aufteilung bei den Deutschen in eine privilegierte, eine Mittel- und eine minderprivilegierte Schicht.“ Klar: „Unterschicht“ sagt man nicht, und „Oberschicht“ ist auch schlecht, weil dann auch der Herr Doktor zu ihr gehörte. Und es gibt ja Leute, die noch mehr verdienen als ein Abteilungsleiter ...
Doch auch diese semantisch geschönte Klein-Fritzchen-Klassenanalyse findet der Mann vom Amt „aber nicht so glücklich“. Da könnten die Arbeiter beleidigt sein. So etwas gehört sich natürlich echt nicht. Für den Fall, dass aber doch etwas dran sein könnte an dem Vorurteil, dass gerade „bildungsferne und einkommensschwache Schichten“ (so sagt man das! Mehrere! Nicht etwa „Asis“) ihre Brut mästen wie in der Fleischindustrie, formuliert der promovierte Amtsträger ganz feinfühlig so: „Minder privilegierte haben in der Regel andere Sorgen als über Ernährung nachzudenken. Da stehen Probleme mit dem Job oder Geld im Vordergrund.“ – Was der alles weiß! Ich schätze, er setzt sich mitunter ganz unauffällig bei McDonalds rein und schaut dem Volk aufs Maul ...

Sofortmaßnahmen zur Stärkung der Volksgesundheit

... und ergreift die Initiative. Er könnte sich gemütlich in seinen Bürostuhl zurücklehnen und sich sagen: die steigenden Lebensmittelpreise werden es schon richten. Und wenn nicht, können wir froh sein, dass diese kugelrunden Flachköpfe nach ein paar Jahrzehnten Hartz IV nicht auch noch der Rentenkasse auf der Tasche liegen. Könnte er sich sagen, tut er aber nicht. Stattdessen fördert der Herr Dr. Abteilungsleiter noch das „Projekt Klasse 2000“ (!), kein Tippfehler, echt: „Projekt Klasse 2000“.
Außerdem stellt das Gesundheitsamt eine Ökotrophologin ein. Das ist eine Haushaltswissenschaftlerin und nicht, wie wir als Politikstudenten irrtümlich annahmen, ein lila Pausensnack. Letzteres wäre ja wohl auch wieder nicht so gut, obwohl: so richtig fett bin ich durch die „Hauwis“, wie wir die lila Pausensnacks in ihrer Anwesenheit nannten, auch nicht geworden. Ach klar: die können ja gesund kochen – was ich jetzt leider nicht mehr erinnere, ist ja auch schon eine Weile her.

Heutzutage brauche ich nicht mehr unbedingt ein Hauwi-Mäuschen. Ich kann ja auch mal lecker Essen gehen, notfalls auch gesund essen. Bei meinen ganzen Zipperlein wäre eigentlich eine Ärztin das Richtige für mich. So für Ab und Zu.
Schlank und mit Doktortitel, so geht´ s doch auch. Glauben Sie mir !

Werner Jurga, 18.05.2008

 

P.S.: im Internet finden Sie zwar nicht den besprochenen Artikel, dafür aber den Bericht der Rheinischen Post. “Duisburgs dicke Kinder”, so kann man es natürlich auch sagen. Ich fand den Genitiv mit von schöner - schon wegen Harald Schmidt. Außerdem finde ich, die Kollegin Frau Doktor und der Chef, der Herr Dr. Stadtdirektor, haben das nicht so lustig erzählt wie Vogt.

 

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