Datenschutz und Vergewaltigung

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Ein Bekannter hat mich heute per eMail wissen lassen, ein Freund habe ihn angerufen. Dieser Freund sei von der Polizei zur erkennungsdienstlichen Behandlung vorgeladen worden, weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort aufhielt.
Ein Mädchen, das schon vor längerer Zeit Opfer einer Vergewaltigung wurde, gibt an, ihren Peiniger just zu dieser Zeit an diesem Ort gesehen zu haben. Also hat die Polizei alle (Männer), die dort waren, ermittelt und vorgeladen. Der Freund meines Bekannten möchte sich aber nicht so gern erkennungsdienstlich behandeln lassen; denn wer weiß, was mit seinen Daten alles geschieht.
Ich habe ihm heute - so schnell es ging - geantwortet:



Sorry,

ich konnte wirklich nicht schneller antworten.
Ich mache schnell, lasse alles Akademische und allzu Politische weg. Vorweg: ja, er hat keine Chance! Er wird sich erkennungsdienstlich behandeln lassen müssen. Es kann sogar soweit kommen, dass er nicht nur fotografiert wird, sondern auch seine Fingerabdrücke, vielleicht sogar eine Speichelprobe hinterlegen muss. Na und??!!
Ihr Freund befürchtet, diese Daten würden vielleicht nie mehr gelöscht. Na und ??!!
Und dann sei er in einer Datei für besonders Verdächtige. Na und ??!!
Nein, ich kann Ihren Freund da nicht so gut verstehen.
Der soll da bloß hingehen.
Später mehr

Werner Jurga




und dann nachgeschoben:




Wir beide müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir einen ganz anderen politisch-kulturellen „background“ haben. Über meine Ressentiments gegenüber den diversen linken Szenen hatte ich mich schon ausgelassen.
Ob ich jemals ein Linker war? – Jedenfalls war ich Marxist, was zeigt, dass ich kein Liberaler im engsten Sinne des Wortes bin. Meine erste studentische Hausarbeit behandelte das aktuell viel diskutierte Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit. Und da, wo der Reaktionär für Ausgewogenheit plädiert, sagte (und sage) ich klar: in dubio pro libertate, im Zweifel für die Freiheit. Da hört dann aber die Klarheit schon auf, denn es ist ja fraglich, wo der Zweifel anfängt.
Sie schreiben, dies sei ein furchtbares Land geworden. Dürfte ich bitte eine Jahreszahl erfahren, wann es hierzulande Ihres Erachtens erträglicher war?

Fände ich alles einfach nur okay, wäre ich nicht politisch. Und gegen „die Deutschen“, nicht etwa gegen ihren Staat, wusste ich schon so einiges vorzutragen. Und ich bin sicher, dass die Mehrheit sich Verhältnisse wünscht wie in den USA und UK, wo Sexualstraftäter ins Internet gestellt werden, von der Lokalpresse veröffentlicht, dem Mob preisgegeben. Einige Politiker haben so was schon gefordert: das wäre in der Tat furchtbar.
Ob nun furchtbar oder nicht: fairerweise muss man sagen, dass eine Vergewaltigung auch nichts Schönes ist. Bedenkt man die Folgen, so muss man sagen: furchtbar. Aber es gehört zur menschlichen Art (und wohl nicht nur zu dieser), dass diese Schandtaten vorkommen – und zwar häufiger, als man denkt. Täter sind meistens die (Ex-) Ehemänner oder (Ex-) Freunde; bei Mädchen, wie in diesem Fall, meistens der Onkel, der Stiefvater – jedenfalls: Verwandte oder Bekannte. Den bösen Sittenstrolch gibt es wesentlich seltener. Aber es gibt auch ihn: den Bullemann!
Sie weisen auf den § 56 StPO hin, der dem Opfer eine Gegenüberstellung ersparen will. Ja Entschuldigung, das ist doch richtig so!
Aber was wäre, wenn das Kind sich vertut, fragen Sie. Gegenfrage: welches Interesse sollte dieses arme Mädchen daran haben. Das Mädchen will doch, dass der „Richtige“ geschnappt wird – und nicht irgend ein x-Beliebiger. Wenn das Mädchen also angibt, der Täter sei an einem bestimmten Ort gewesen, dann finde ich nichts daran auszusetzen, dass die Polizei zunächst einmal alle (Männer), die dort waren, antanzen lässt.
Gehen wir also davon aus, dass das Mädchen den Täter bestraft wissen will, und dass es Ihr Freund nicht war, wäre der Fall damit eigentlich erledigt. Ob die Polizei aus Datenhunger nun auch die Daten Ihres Freundes auf immer und ewig speichert, kann uns eigentlich wurscht sein. Das kenne ich von der Stasi und von meinem Arbeitszimmer: wer alles Mögliche aufbewahrt, findet schließlich nichts mehr.
Also zum worst case: das Mädchen „vertut sich“. Annahme: der Tatsächliche war gar nicht am betreffenden Ort. Motiv: sich selbst einreden, der Verbrecher sei bestraft, ist immer noch besser, als gar keine innere Ruhe finden können.

Gestatten Sie mir bitte für diesen Fall, an meinen Rechtsstaatsillusionen festhalten zu dürfen. Ich denke, die vom Opfer durchgeführte Fotoauswahl allein wird niemals als Indiz ausreichen, um einen Mann wegen Vergewaltigung verurteilen zu können. Da müssen deutlich mehr Indizien kommen. Am besten wäre natürlich ein DNA-Beweis.

In diesem Sinne

Werner Jurga, 23.11.2007

 

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