Ari Shavit

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Ari Shavit:

An der Beziehung arbeiten
 

US-Präsident Barack Obama hat bei seinem Umgang mit Israel zwei schwere Fehler begangen: Er hat das Vertrauen der israelischen Öffentlichkeit verloren, und er hat das Vertrauen des israelischen Ministerpräsidenten verloren. Trotz ihres vorherigen Misstrauens hat die Mehrheit der Israels begeistert auf den Amtsantritt Obamas im Weißen Haus reagiert. Trotz gewisser Befürchtungen war der israelische Ministerpräsident bezaubert von dem jungen Senator aus Illinois und von seinem kometenhaften Aufstieg. Hätte Obama Israel und Netanyahu umarmt, hätte er das erreicht, was Anwar Sadat, Bill Clinton und König Hussein erreicht haben. Er hätte die Rechte zum Schmelzen gebracht, die Mitte erobert und Israel nach links gerückt. Ein israelophiler Obama, der wirklich der Sicherheit Israels verpflichtet wäre, hätte es in Israel leicht zum König bringen können.

Aus unerfindlichem Grund hat Obama allerdings beschlossen, den entgegengesetzten Weg zu beschreiten. Sein Treffen mit Netanjahu im Oval Office war ein Hinterhalt. Ohne ihn vorzubereiten, zu warnen oder abzuschrecken, legte Obama ihm ein Ultimatum vor. Statt sich wie ein guter Freund oder ein guter Pädagoge zu verhalten, verhielt er sich wie ein böser Polizist. So wurde Netanjahu vom einen auf den anderen Moment von einem Verehrer zu einem Misstrauischen. Und Obama beließ es nicht dabei. Kurze Zeit nach der Auseinandersetzung in Washington schüttelte er die vorherigen Verpflichtungen Washingtons in der Angelegenheit der Sieldungsblöcke ab. Barack Hussein Obama hat sowohl den Brief von George W. Bush als auch das politische Testament William Jefferson Clintons in den Papierkorb geworfen. Dadurch lehrte er die Israelis eine Lektion, die nicht so schnell vergessen werden wird: Das Wort eines US-Präsidenten ist nicht viel wert. Ein Versprechen vor einem Rückzug ist nur ein Versprechen.
Obama steht Israel nicht feindlich gegenüber. Im Gegenteil. Aber sein verfehltes Verhalten hat dazu geführt, dass er die Bereitschaft der israelischen Öffentlichkeit zur Unterstützung des nächsten großen Rückzugs gelähmt hat. Mit seinen Taten und Versäumnissen hat Obama bewirkt, dass nur wenige Israelis ihn heute als wahren Freund betrachten.
Benjamin Netanjahu hat bei seinem Umgang mit den USA zwei schwere Fehler begangen: Er hat die Initiative nicht selbst in die Hand genommen und sich nicht darum bemüht sich zu erklären. Der Netanyahu des Jahres 2009 ist in der Tat ein anderer Netanjahu. Er hat sich mit der Teilung des Landes abgefunden und bewegt sich auf die Gründung eines palästinensischen Staates zu. Dennoch ist Netanjahus Paradigma nicht das Paradigma der 90er Jahre. Nachdem er das Scheitern von Camp David und Annapolis beobachtet hat, glaubt er nicht, dass ein wirklicher Frieden in schnellen Verhandlungen erreicht werden kann. Daher möchte er einen politischen Prozess anderer Natur beginnen: den palästinensischen Staat von unten nach oben aufbauen; mit den Jordaniern, den Golfstaaten und Salam Fayad zusammenarbeiten; das Westjordanland nicht zu einem Hamastan verhandeln, sondern zu einem Dubai.

In den letzten zwölf Monaten, insbesondere seit Netanjahu Ministerpräsident ist, hat sich im Westjordanland eine stille Revolution vollzogen. Die Zahl der Kontrollpunkte ist von 40 auf 14 zurückgegangen. Die Wachstumsrate ist dramatisch gestiegen und steht derzeit bei 7% im Jahr. Die palästinensischen Sicherheitskräfte erstarken, und so auch das palästinensische Unternehmertum und die politische Mäßigung. Insofern beweist sich Netanjahus Ansatz von selbst. Nach einem Jahrzehnt der Verzweiflung zeigen sich in der palästinensischen Gesellschaft erste Knospen der Hoffnung.
Allerdings ist es dem israelischen Ministerpräsidenten nicht gelungen, seinem Erfolg zum Durchbruch zu verhelfen. Er hat seinen pragmatischen Ansatz nicht in einen umfassenden politischen Plan verwandelt. Sein großer Fehler bestand darin, dass er im Oval Office keine alternative Vision präsentiert hat, die das Herz des US-Präsidenten hätte gewinnen können. So beharrt Obama auf seiner Position: Er versucht, veraltete Ideen, die über 15 Jahre wieder und wieder gescheitert sind, voranzubringen. Und so beharrt Netanjahu auf seiner Position: Hartnäckig und frustriert wird er abermals als Zurückweiser des Friedens empfunden.
Es ist bereits Ende Juli. Sollte der Streit in der Siedlungsfrage nicht bald beigelegt werden, werden sich Israel und die USA in eine überflüssige Auseinandersetzung verstricken. Wenn die Vereinigten Staaten einen von der Realität abgekoppelten politischen Weg einschlagen, wird eine günstige Gelegenheit verpasst werden. Daher müssen Obama und Netanjahu miteinander in direkter und intimer Art und Weise ins Gespräch kommen. Vielleicht sollten sie sogar die Sommerferien nutzen, um ein ehrliches, tief greifendes und versöhnliches Treffen abzuhalten. Letztendlich sind Obama und Netanjahu ein Gespann, ohne das im Nahen Osten nichts Gutes geschehen wird. Ihre Beziehung ist unser aller Zukunft.

Haaretz, 23.07.2009

 

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