alle meine Weihnachten

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Weihnachten, das kann eine sehr traurige, manchmal sogar traumatische Sache sein.

Bei mir war es mit dem Thema Weihnachten höchst schwierig. Ich hatte eine echte Neurose. Im Großelternhaus, also als Kind, wegverfrachtet hoch zur Uroma, weil ich nicht sehen durfte, wie das Christkind angeschwebt kam, den Baum machte, Geschenke für alle brachte. Das dauerte Stunden, bis die das mal alles gebacken gekriegt hatten. Und Uroma mochte den Bastard nicht so sehr ...
Elternhaus, nee Haus weg, Wohnung: für meine Mutter war Weihnachten sozusagen das höchste aller Gefühle; das ging mindestens ein Vierteljahr vorher los. Stinknormale deutsche Geschichte. Spätestens als die James-Last-Weihnachtsmusik zur Bescherung einlud, war der absolute Zoff in der Hütte.
18 Jahre weihnachtliche Schädigungen, 18 Jahre Traumabewältigung, seither ist gut ...gut ...
Gewiss, das ist alles sehr traurig. Und auch ich könnte noch so einiges erzählen. Aber nicht so schön wie Gudrun Norbisrath. Sie leitet das Kulturressort der WAZ und hat uns in der Weihnachtsausgabe ausführlich berichtet, was bei ihr zu Hause so alles schief gegangen ist. Diese kurze Geschichte ist recht bitter, aber einfach großartig geschrieben.
Sie können sie hier lesen.

Werner Jurga, 25.12.2007

eine Bescherung aus
Gudrun Norbisrath: Alle meine Weihnachten

An diesem Abend brach mehr als die Konvention. Meine Eltern und ich stellten fest, dass wir nicht zueinander passten. Diese Einsicht hat nichts erleichtert, Eltern wollen sowas nicht glauben, obwohl sie grundsätzlich damit rechnen sollten, und Töchter denken gar nicht daran, sich zu beugen.
Der zweite Schnaps bewirkte, dass die allseitige Betretenheit umschlug in aggressive Selbstverteidigung. Ich hielt eine komplizierte Rede über den unmittelbar bevorstehenden Ausbruch des Sozialismus', meine Mutter rief mit roten Wangen: "Der Mao, der Mao, wattwollderimmer mit dem Mao!" und mein Vater, der im Kirchenchor so schön den Bass sang, sprach die erstaunlichen Worte: "Ich bin nämlich ein alter Nazi." Dann tranken wir alle zusammen noch einen.

 

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