28.12.2007

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Auch Sie dürften in den letzten Tagen das Video der Überwachungskamera im Fernsehen gesehen haben. Zwei Jugendliche oder zwei junge Männer (genau das ist hier die Frage) schubsen einen älteren Herren um, schlagen und treten ihn dann fast zu Tode ...

Man ist fassungslos; man weiß gar nicht, was man sagen soll. Das heißt: einige, ja viele scheinen es ganz genau zu wissen. Und weil man die Berichte in DerWesten.de kommentieren kann, und weil die Täter griechischer bzw. türkischer Abstammung sind, haben sie es dann auch gesagt bzw. geschrieben. Schon an Heiligabend um halb zehn hatte uwe987 allen Grund zu empfehlen:
„Man sollte das Forum nicht unbeaufsichtigt lassen. Hier treibt sich zu viel braunes Pack um.“
Der Ruf wurde erhört: am 1. Weihnachtstag meldet sich mittags Beatrix Gutmann vom Community-Management zu Wort und mahnt:
“Liebe Nutzer, bitte bleiben Sie sachlich. In Ihrem eigenen Interesse bitten wir Sie, diffamierende Kommentare zu unterlassen.“
Während ich am 2. Weihnachtstag an diesen Zeilen sitze, nimmt die Anzahl der Kommentare leicht ab: offensichtlich nimmt die online-Redaktion die fürchterlichsten Stellungnahmen aus dem Netz; oder, wie Frau Gutmann fortfährt:
„Hier wird nichts gelöscht, sondern lediglich offline gestellt.
Denken Sie daran: Das Internet vergisst nichts.“

Aber über 150 Kommentare sind auch jetzt noch online und liefern einen Überblick über das gesunde Volksempfinden.

Höhere Strafen als Abschreckung

fordern nun einige Politiker, genauer: einige CSU-Politiker. SPIEGEL ONLINE titelt: „Koalition streitet um Jugendstrafrecht“ und behauptet, „die CDU fordere drastische Abschieberegeln und härtere Haftstrafen.“ Nur: im Artikel steht davon nichts. Der einzige CDU-Mann, der sich markig vernehmen lässt, ist Wolfgang Bosbach, im Vorstand der gemeinsamen Fraktion zuständig für Recht und rechts. Er weiß den richtigen Sound zu treffen, um – ohne irgendetwas zu sagen – beim Pöbel Beifall zu erheischen:
"Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, alle Schwerverbrecher mit sozialtherapeutischen Maßnahmen von neuen Straftaten abhalten zu können. Ein Segeltörn in der Ägäis hält keinen Intensivtäter ab". Täter mit "erheblicher krimineller Energie" müssten auch dementsprechend bestraft werden. Klasse, Bosbach !
Danach erläutert der Rechtsexperte recht plausibel, warum das logischerweise der größte Stuss ist, den man sich vorstellen kann: als Reaktion auf den U-Bahn-Überfall mit dem Argument der „Abschreckung“ eine Strafverschärfung zu fordern. Ganz so deppert wie die CSU-Leute will ein Bosbach dann nun doch nicht dastehen.

Wer den Bericht des Polizeisprechers vom ersten Verhör der beiden Täter gehört hat („der wusste doch, dass wir etwas getrunken haben; was quatscht der uns an, wir sollten in der U-Bahn die Kippe ausmachen?“) und wer weiß, dass diese dehumanisierten Idioten ihr Killen über Handy übertragen wollten, und dass ihnen die Videokameras so was von egal waren, der kann einfach nicht annehmen, dass Menschen mit derartigem „Täterprofil“ zunächst in aller Ruhe die Rechtslage beratschlagen, um in aller Ruhe abzuwägen, ob sie ihr nächstbestes Opfer abmurksen sollen oder nicht.
Ich will mich nicht festlegen, ob die CDU – mit Blick auf die Landtagswahlen Ende Januar – es wirklich auf ein Koalitionsgezänk ankommen lassen will oder nicht. Vielleicht so ein klein wenig Ausländer-Raus- und „Rübe-Ab-Profil für den rechten Rand?
"Plumper Populismus" (Claudia Roth) gehört eigentlich zum Handwerkszeug der Politiker aller Parteien, auch der Grünen (Sexualstrafrecht). Und so werden seit 30 Jahren mehrmals jährlich Strafverschärfungen gefordert und immer wieder auch mal – unter großem Beifall des Publikums - ins Bundesgesetzblatt geschrieben. Oder können Sie sich an irgendeinen Politiker erinnern, der jemals mildere Strafen gefordert hat. Egal, welches Kapitel des Strafgesetzbuches Sie nehmen – stellen Sie sich doch nur mal die Nachrichtenmeldung vor: Politiker X von der Partei Y fordert Senkung der Mindeststrafe von 5 auf 3 Jahre sowie der Höchststrafe von 15 auf 10 Jahre. Unvorstellbar! Fast schon lächerlich! So etwas hat es noch nicht gegeben und wird es auch vorläufig nicht geben. Klar, das weiß ja jeder, dass in Staaten mit relativ harter Justiz die Kriminalitätsrate (mindestens proportional) höher ist als in denen mit relativ milder Justiz. Spielt aber keine Rolle, genauso wenig wie „Abschreckung“, Sicherheit oder gar Resozialisierung. Es soll auch mal an die Opfer gedacht werden, nicht immer nur an die Täter, spricht die Volksseele. Dabei denkt sie – mehr als all die Psychologen und Gutachter und andere Verbrecherfreunde – eigentlich nur an den oder die Täter: der Sühnegedanke.

Erstaunlich finde ich etwas ganz Anderes: diesmal erklären alle demokratischen Parteien, dass der Ruf nach härteren Strafen purer Unfug ist. Allen voran die SPD, komisch genug, die Grünen sowieso, aber auch die Linken und die FDP. Die CDU hält sich, wie gesagt, im Grunde bedeckt. Einzige Ausnahme: die CSU, allen voran deren Putschkumpane: der Huber Erwin und der  Herrmann Joachim. Ob dieses hirnrissige Gefasel bei denen Populismus ist, oder ob die wirklich so sind, lässt sich bei dieser Sorte nicht klären. Jedenfalls stehen sie in der Tradition Franz Josef Strauß´, der engste Verbindungen pflegte zum Assad-Regime in Syrien (syrische Justiz, siehe Bild unten)

Werner Jurga, 28.12.2007 

 

Das habt Ihr jetzt davon, Ihr Senfgurken !

martialisch

Foto: Cicero 12 / 2007

[Jurga] [Home] [März 2010] [Marxloh stellt sich quer] [Februar 2010] [Januar 2010] [2009] [2008] [2007] [Oldies] [2007 / 2008] [Tagebuch 2007] [Texte Dez. 2007] [Texte Nov. 2007] [Texte Okt. 2007] [Texte Sept. 2007] [Texte Aug. 2007] [Kontakt]