12.12.2007

Die politische Internet-Zeitung aus Duisburg

Damals, also ganz früher, sozusagen vor Jahrhunderten, als Amerika noch nicht entdeckt und die Welt noch eine Scheibe war: da wusste man noch, wo man überhaupt war. Jedem Japaner war klar: wir sind das Land der aufgehenden Sonne, wir sind der Osten. Genauso klar war unseren Ahnen: wir sind der Westen. Seit Neuem, also einige Zeit später, ist dies übrigens der Name des Internet-Portals der WAZ-Gruppe.
Allerdings hat sich die Welt zwischenzeitlich in eine Kugel verwandelt, so dass solcherlei Verortung keinen rechten Sinn mehr ergibt. Überall ist Westen, überall ist Osten; allein eine Frage des Standpunkts. Sinn geben können allenfalls die Adverbien „westlich“ oder „östlich“. Bei Nord und Süd mag es für unsereins etwas anders aussehen; schließlich hat ja auch der Jupiter einen Nordpol, aber das nur nebenbei. Bleiben wir bei der Erkenntnis eines großen Deutschen, dass alles eine Frage des Standpunktes ist. Denn alles ist relativ.

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einstein

Dieser große Deutsche hieß Albert Einstein, wobei ich mir gar nicht so sicher bin, ob er überhaupt Deutscher war. Manchmal lese ich, er sei Jude gewesen. Andere sagen, Einstein käme aus der Schweiz ... Na egal; jedenfalls war dieser große Deutsche kein Ami oder Tommy, auch wenn er sich bei denen – warum auch immer – jahrzehntelang herumgetrieben hat. Im Westen, sozusagen.
Erich Maria Remarques 1929 veröffentlichter Roman “Im Westen nichts Neues†war derweil in Deutschland verboten. Remarque schilderte darin seine Erlebnisse an der Westfront des so genannten Ersten Weltkriegs. Man hatte den Eindruck, Remarque sei – wie auch Einstein – gegen den Krieg.  Das traf in den 1930er Jahren nicht so ganz den Geschmack unserer damaligen Regierung, weshalb sie auch den 1930 (!) gedrehten Film verboten hatte.

Albert Einstein

IM WESTEN NICHTS NEUES

... mit diesen Worten begann – wieder eine ganze Weile später – das Westernhagen-Album „In den Wahnsinn“: Im Westen nichts Neues ... die Börse im Keller. Marius aber ganz oben: Doppelplatin für die CD in der ersten Woche. Westernhagen klarer Sieger im Duell gegen Grönemeyer.
Dieser Krieg ist, wie Sie alle wissen, klar zu Gunsten von Grönemeyer ausgegangen. Herbert ist Deutschlands Nr. 1, er kommt aus Bochum und meint, diese Stadt liege „tief im Westen“. Ich lach´ mich tot; nur weil in dem Begriffspaar „westliches Westfalen“ zweimal „West“ vorkommt, muss Bochum ja nicht gleich „tief im Westen“ liegen. Im Westen, von mir aus; aber wir sind der Westen des Westens. Liebe Bochumer, Herbert singt, mit Eurem Doppelpass macht Ihr jeden Gegner nass. Wäre nett, wen Ihr das am nächsten Sonntag mal tun könntet – in Rostock.
Da kommt mir in den Sinn, dass so vor 18 Jahren noch ein Krieg durch K.O. beendet wurde, nämlich der Kalte. Seither gibt es endgültig kein Ost-West mehr. Kurios: alles vorbei. Die Welt ist keine Scheibe mehr, die Mauer ist weg, Westernhagen fast weg, Grönemeyer der Held, Bochum und Duisburg sind in der Bundesliga. Dennoch: wir sind der Westen. Und wir Duisburger der Westen vom Westen. Hinter uns kommt nur noch Ackerland, der Holländer und das offene Meer. Ich denke, wir sind beides in einem: das real center of world und der Westen des Westens. Das finde ich schon klasse. Dumm nur: Im Westen nichts Neues ...

Doch, doch, natürlich habe ich den Krawall in unserer politischen Klasse mitbekommen. Deshalb ja der Verweis auf das berühmteste Anti-Kriegs-Werk aller Zeiten. Gegenwärtig bekämpfen sich die Parteien mit einer Inbrunst und mit einem an Hass grenzenden Gift, dass man nur laut „Peace“ zurufen möchte – den Soldaten, die laut Einstein auf ein Gehirn verzichten, weil sie mit dem Rückenmark völlig auskommen. In Duisburg geht es erschreckend persönlich zu; und das Schönste: eigentlich geht es nur um Posten und Personen. Um den Peter Greulich (Grüne), der es soeben geschafft hat. Um den Horst Scherschel (SPD), den die Hunde gebissen haben, dem alle bescheinigen, dass ihm übel mitgespielt wurde. Neu im Spiel ist der Ralf Hörsken (CDU), dessen Person nicht umstritten ist; seine Position als solche dafür umso mehr.
Sieht man davon ab, dass sich über jeden in höheren Positionen etwas sagen lässt: eigentlich waren auch weder Greulich noch Scherschel umstritten. Durchaus wählbar für die jeweilige politische Konkurrenz; doch bei diesen Personalien ging es längst nicht mehr um die Sache. Den bösen Worten folgte die erbitterte Schlacht.

Auch der Westen vom Westen hat noch seinen eigenen Westen. Auch da nichts Neues, aber die Worte werden schon deutlich böser. Die Erde bebt schon. Dazu morgen mehr.

 

Werner Jurga, 12.12.2007

 

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